Zur Frage, wie das arme Dörfchen Hütten
zu so wertvollen Reliquien kommt.
Prof. THC Dr. M. Durst:
Reliquien kann sich nicht jeder beschaffen, sondern man wendet sich dazu an
Bischöfe oder Orden. Allerdings St. Ursula Reliquien, beispielsweise, gibt es
zuhauf. Aus ihren einst elf Gefährtinnen waren 11‘000 geworden - nach einer
Schriftdeutung eines „11 M“ als 11‘000.
Von Köln aus, wo die berühmte goldene Kammer steht
http://www.sakrale-bauten.de/kirche_koeln_st_ursula_goldene_kammer.html , die
auf einem alten Gräbergelände steht, konnten viele Kirchen Deutschlands, der
Schweiz, Italiens u.s.w. mit St. Ursula
Reliquien beliefert werden. Ausserdem gab es noch die Berührungsreliquien:
Berühmtes Beispiel: Der Gürtel der Gottesmutter, aufbewahrt in Konstantinopel.
Als Reliquien des Erzengels Michael gibt es die Fussabdrücke, wo er erschienen
ist (Monte Gargano, Monte Sant'Angelo oder St. Michel). Von Jesus gibt es auch
nur diese Sekundärreliquien, wie das Schweisstuch oder die Kreuzpartikel.
Prof. P. Ziegler: Berührungsreliquien wurden nicht „im Altar eingeschlossen“. Reliquien können auch relativ kleine Stücke sein. Vorstellbar ist, dass man aus der Pfarrkirche Richterswil [abgetrennte] Reliquien[teile] übernommen hat.
M. Kerssenfischer: Mit den Reliquien durfte nicht gehandelt werden, der Trick aber war, dass die Gehäuse verkauft wurden.
Durst: Die Reliquien wurden vergleichbar mit einer Monstranz kostbar gefasst. Aber es wurde nicht bezahlt sondern gespendet.
P. Ziegler: Und dann gab es noch den Schwindel. Man hat in Andermatt das Haupt von Felix und Regula wissenschaftlich untersucht. Es heisst ja, dass sie geköpft wurden. Das wurde auch bestätigt, aber es handelte sich um Schweineknochen. [was hier nicht bestätigt wird: http://de.wikipedia.org/wiki/Felix_und_Regula ]
Durst:
Wenn man alle Kreuzpartikel zusammennimmt, dann kann man davon mehrere Kreuze
machen.
Die Kreuzpartikel sind sogenannte
Berührungsreliquien. Vor allem im frühen Mittelalter hatte man die Vorstellung,
dass die Kraft von der Reliquie auf das Teil übergeht, womit
sie in Berührung kommt.
Hanspeter Schärer: Ähnliche Phänomene kennen wir auch heute noch bei Jugendlichen, wenn es um die Verehrung von Musikbands geht.
Durst: Karl Dall hat gesagt: "Alle wollen von mir ‘ne Locke, wer die nicht kriegt, der kriegt ´ne Socke". Der Fanartikel ist ein Bezug zu Realien, die man verehren kann. Man kann etwas sehen, das den Heiligen in nochmals ganz anderer Weise vergegenwärtigt. Religionsgeschichtlich gehört dies einer archaischen Religiosität an. Während dem das Christentum eigentlich eine vergeistigte Spiritualität predigte. Aber dies verlangt eine enorme Leistung, vom konkret Sichtbaren zum rein Geistigen zu abstrahieren. Reliquien zeigen das immer wiederkehrende Bedürfnis nach einem materiellen Bezug. Der gelehrte Geistliche meint natürlich zur Reliquie, dass es überhaupt keine Rolle spielt, ob sie echt ist oder nicht. Wenn es die Frömmigkeit fördert, ist es ja gut. Was eigentlich zählt, ist die Verehrung, die der Betreffende gegenüber dem Heiligen hat. Das ist etwas Geistiges, das nicht davon abhängt, ob die Reliquie echt ist oder nicht. Man muss es aber nicht gerade so predigen, wie es ein Kollege gemacht hat in Trier, am Grabe des heiligen Matthias, vor zahlreichen frommen Leuten: >>Wer weiss, ob es echt ist. Hundsknochen sind es. << Dies muss nicht unbedingt sein, gerade auch in diesem Fall, wo letzteres zumindest auch nicht erwiesen ist.