Der Erste Villmergerkrieg oder der "Rapperswilerkrieg" 1656 und die Ereignisse bei Richterswil und im Berg
Nach Heinrich Peter "Geschichte der Gemeinde Richterswil"

Ein eidgenössischer Glaubenskrieg
Noch 1653, beim grossen Bauernkrieg, waren katholische und reformierte Herren (Luzern, Bern, Zürich) zusammengestanden gegen katholische und reformierte Untertanen (Entlebucher, Emmentaler u.a.), wie wenn es in der Eidgenossenschaft keine Glaubensspaltung gegeben hätte. Aber schon drei Jahre später entbrannte ein neuer Glaubenskrieg: Als Zürich 38 Evangelische, die aus dem Kanton Schwyz geflohen waren, aufnahm und die Herausgabe ihres Vermögens verlangte, antworteten die Schwyzer mit Folterung und Hinrichtung von vier zurückgebliebenen Reformierten. Die katholischen Orte verbündeten sich mit Schwyz gegen die reformierten Stände Zürich und Bern. In der Hoffnung, den für die Reformierten so nachteiligen Zweiten Kappelerfrieden von 1531 umstürzen zu können, erklärte Zürich am 6. Januar 1656 Schwyz und seinen Verbündeten den Krieg. Der wegen seiner brutalen Strenge im Zürcher Heer nicht gerade beliebte General Hans Rudolf Werdmüller wurde zum Oberkommandierenden mit fast unbeschränkter Vollmacht ernannt. Man vertraute auf seine grosse Kriegserfahrung, hatte er doch als höherer Offizier in fremden Diensten an mancher Schlacht des Dreissigjährigen Krieges teilgenommen. Am 6. Januar 1656 zog er mit der Zürcher Hauptmacht vor Rapperswil, das er in 24 Stunden einzunehmen versprach. Rapperswil hatte aber noch im Dezember eine schwyzerische Besatzung erhalten und trotzte neun Wochen lang, bis zum Ende des Krieges, allen Angriffen der zürcherischen Übermacht.


Richterswil: Guter Schutz des Dorfes ungenügende Verteidigungsvorkehrungen im Berg
Während der Belagerung Rapperswils war Richterswil als Grenzort sehr bedroht. General Werdmüller schickte darum von Rapperswil aus sofort drei Kompanien nach Richterswil zum Schutze des Dorfes. Nach der zürcherischen Überlieferung, wie sie E. Stauber wiedergibt, wurden diese am 12. Januar von den Schwyzern angegriffen, wobei auf beiden Seiten Tote und Verwundete auf dem Platze blieben. Mehr über dieses Ereignis, das die Zürcher lieber nicht genauer dargestellt haben, erfahren wir aus einem Bericht der Gegenseite: Jakob Billeter, der Priester von Aegeri, war in dieser Zeit als Feldprediger bei den katholischen Truppen; er hat über diesen Krieg ziemlich genaue Aufzeichnungen hinterlassen. Da lesen wir u.a.: "Es hat auch ein frecher und küener Hauptmann von Zürich, Hoffmeister mit Namen, mit etlichen Soldaten wellen das Volk zu Wohlrauw in der Kirchen under der hl. Mess erwürgen. Weilen aber diese Sach ruchbar geworden, ist man ihm aus der Kirchen entgegen zogen und ist er, Hoffmeister, von Hauptmann Reding auf dem Platz erlegt worden. Die Zürcher hetten lieber den General Obrist Werdmüller als diesen verlohren". Das war also ein nicht sehr rühmlicher Angriffsversuch von Richterswil aus, der aber auch zeigte, dass das Dorf genügend geschützt war. Anders stand es hingegen an der offenen Grenze zwischen Richterswil und Hütten. Auf diese mehrere Kilometer lange Linie war nur eine einzige Kompanie verteilt: 50 Mann errichteten einen Posten auf der Bellen, nahe beim Hüttnersee; der Rest der Kompanie, etwas mehr als 50 Mann, baute beim "Esel", nahe dem heutigen Sternensee, eine Abwehrstellung. Weder auf der Bellen noch beim "Esel" wurden richtige Schanzen angelegt. Die winterlichen Verhältnisse (der Hüttnersee war ja gefroren!) liessen den Gedanken an Erdbewegungen wahrscheinlich gar nicht aufkommen. Auch waren Erdwälle damals nicht dringend erforderlich, da die Schusswaffen noch nicht entscheidend wichtig waren wie später, z.B. 1712. So verbarrikadierte man sich in aller Eile durch hölzerne Palisaden an gut gewählten Standorten: Die Bellen war eine nicht leicht einzunehmende Anhöhe mit gutem Überblick auf das Feindesland, beim "Esel" bot der tiefe Einschnitt des Mülitobels einen guten natürlichen Schutz. (Der Sternenweiher bestand damals noch nicht.)

Der Einfall der Feinde vom 11. Februar 1656
Gegen Ende Januar wurde die Lage der Reformierten sehr bedrohlich. Es kam die Nachricht, dass die Berner bei Villmergen im unteren Freiamt am 24. Januar die Entscheidungsschlacht unter ungewöhnlich hohen Verlusten verloren hatten. Nun waren also die Streitkräfte der inneren Orte für andere Unternehmungen frei. Ein Kriegsrat in Pfäffikon SZ beschloss ins zürcherische Gebiet vorzudringen. Da man glaubte, dass auf der Bellen und beim Sternen je etwa 400 Zürcher seien, stellte man einen sehr starken Angriffstrupp auf: 2670 Mann. 1000 Schwyzer rückten von Schindellegi her gegen Hütten vor, marschierten über den gefrorenen Hüttnersee und besetzten Hütten und die Laubegg. Als die 50 Zürcher auf der Bellen diese zwanzigfache Übermacht anmarschieren sahen, zogen sie sich in Richtung Schönenberg zurück. Ähnlich ging es der kleinen Besatzung beim Sternen; nach wenigen Schüssen wich sie vor der grossen Übermacht und floh. Damit stand den Innerörtischen das ganze Berggebiet offen. Sie beschlossen, zur Sicherung des Rückzuges eine starke Truppe auf der Laubegg in Stellung zu lassen, mit der Hauptmacht aber weiter vorzugehen und die Zürcher Grenzwacht bei Sihlbrugg von hinten anzugreifen. Der Richterswilerberg und Wädenswilerberg waren nun der Wut des fanatischen Feindes preisgegeben. Wo sie hinkamen, wurde nun geplündert, gebrandschatzt und gemordet. Der Gersauer Landschreiber, Leutnant Nigg, verbrannte mit seiner zügellosen Rotte in Hütten 15 Häuser; auch die 1496 eingeweihte St. Jakobus-Kapelle wurde eingeäschert. 97 Haushaltungen hatten über grossen Schaden zu klagen. Zwanzig Personen waren getötet, 183 Stück Vieh entwendet worden. Die Schwyzer zwangen die Bergbewohner, mit Verstümmelungen und Ermordungen, zur Herausgabe von Geld, Wertsachen und Dokumenten. Pfarrer Bürkli von Richterswil meldete nach Zürich: "Sy habent etlichen die Augen usgestochen, die Nasen gestümmelt, den Mund aufgeschnitten und die Köpf gespalten." Der Jahrzeitrodel der Kapelle Hütten  befindet sich noch heute im Staatsarchiv Schwyz. Als die plündernde Horde gegen Hirzel vordrang, wurde in Horgen Sturm geläutet. Wer sich noch rechtzeitig aufmachen konnte, floh bei klirrender Kälte seeabwärts. Thalwil war voll geflüchteter Frauen und Kinder. Die Zürcher Obrigkeit liess 1656 für die geschädigten Einwohner des Richterswilerberges eine Steuer erheben.

Die Abwehr
Als General Werdmüller vor Rapperswil von diesem feindlichen Einfall Kunde erhielt, brach er sofort mit 1000 Mann auf und fuhr über den See nach Richterswil. Von hier rückte er den Berg hinauf und vertrieb die feindliche Truppe, die auf der Laubegg geblieben war. Unterdessen hatten sich die von der Bellen und vom Sternen geflohenen zürcherischen Soldaten beim Gehöft Tanne unterhalb Schönenberg gesammelt. Sie wurden verstärkt durch Schaffhauser Reiter und erhielten Zuzug von den in Richterswil stationierten Werdmüllerschen Kompanien. Es war schon dunkle Nacht, als diese so verstärkte Truppe die bis hieher vorgedrungenen Feinde angriff und sie nach ziemlich harten Gefechten zum Weichen brachten. Nach diesen Siegen drangen die Zürcher auf Zuger- und Schwyzergebiet vor und rächten sich, indem sie u.a. die Lölismühle (Neumüli) einäscherten. Auch das Haus zum Schellhammer wurde niedergebrannt. General Werdmüller rühmt sich in seinem Bericht an den Rat in Zürich, dass er: "...zehn Firsten, die kostbarer, als die, so sy uns verbrannt, eingeäschert…". Unmittelbar an diese Kriegshandlungen wurde ein Waffenstillstand geschlossen, dem dann am 7. März 1656 der Friedensvertrag folgte. Im Wesentlichen wurde dabei der Zweite Kappelerfrieden von 1531 mit allen seinen Vorteilen für die katholischen Orte bestätigt. Für die Schwyzer hatte der Einfall in die Gegend von Hütten ein Nachspiel: Der Schwyzer Landammann musste auf der Tagsatzung für diesen Einfall öffentlich Abbitte leisten.

 

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