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Hinterlader-Geschütz „Jungfrau“ oder "Zürichbraut". 1½ -Pfünder, 1611. Kaliber 4,5 cm, Hinterlader. Oben auf dem Vorderlauf das Bild einer vornehmen Zürcherin mit Brautkrone. Glocken-/Stuckgiesser Peter VII. Füssli (1577 – 1629), Zürich. Bronze, gegossen, gezogen. Datiert 1611. Herkunft: Zürich (ZH), Zeughaus. Masse Rohr: Länge 184.3 cm. , KZ 5444, COL-1594
Gezogenes Rohr mit 18 Doppelzügen, unter dem Kopfwulst ein Fries von Seepferdchen, dann Akanthusblätter. Oben auf dem Vorderlauf das Bild einer vornehmen Zürcherin mit Brautkrone, darunter der Spruch: "Ich bin ein Jungkfrauw wolgestalt, welchen ich kuss, der wirt nit alt". Auf dem Schildzapfenring als Henkel zwei Greife; auf dem Hinterlauf das von Löwen gehaltene doppelte Zürcherwappen mit Reichsschild und Krone, Jahrzahl "1611"; über der Bodenplatte als Zeichen der Füssli ein Pfeil. Verschlusszylinder aus Eisen, Länge 39 cm, Durchmesser 8 cm, Kammertiefe 22 cm, Durchmesser 2,5 cm, halbrunde Vertiefung zur Aufnahme der Bleikugel, 46 mm. Auf dem Zündlochdeckel Büste, zu beiden Seiten Masken. Holzzapfen in der Mündung. Wandlafette mit Lafettenkästchen, hohe Räder. Arbeit des Zürcher Stückgiessers Peter VII. Füssli
David Nüscheler
schreibt ca. 1850 in der Feuerwerker, Zürcher Artilleriegeschichte, S.179:
"...Jungfrau
(Zürichbraut)…ebenfalls ein Stuck, welches mit Patronen von hinten geladen wird,
als eine neue Erfindung des Herrn Rudolf Klingler."
und Seite 149 ff:
"Sowie man vor Kurzem auf den Versuch zurückgekommen ist, die Geschütze von
hinten (statt von vorne) zu laden; - so wurde dieses bereits schon
im Siebenzehnten Jahruhundert auch bey uns versucht, nahmentlich mit der jetzt
noch vorhandenen, eine Zierde unsers Waffensaales bildenden sogenannten
Zürich-Braut, welche am 29. Merz 1686 im Kernschuss probiert ward, eine
halbpfündige bleyerne Kugel, mit 6 Loth gutem Pulver in die Kammer geladen,
beynahe 300 Schritt weit schoss. - Alle 3 Schüsse gingen links und niedrig.
In Folge dieser Probe fand sich
die Kammer beschädigt (ob es aber ein alter Schaden, bleibt dahingestellt.) - In
Folge dessen ward für gut befunden, anstatt der metallenen, eine Kammer von
besonders gutem Eisen schmieden zu lassen, welche man am 2. Merz 1687 mit
einigen Schüssen probierte. - In die Kammer wurden 6 Loth gutes Hackenpulver
geladen, vorne bey der Mündung 3/4'' aufgesetzt, und also damit ungefähr 350
Schritt weit geschossen. - Alle Schüsse sind gut und nicht weit von dem
vorgesetzten Zweck gegangen, und hat die Kammer die Probe gehalten, also dass
‘‘diese Zürich-Braut in's Künftige, und im Falle der Noth, davor Gott gnädig
seyn wolle, zu gutem Nutzen zu
gebrauchen seyn wird.‘‘ - Die
Zürich-Braut, eigentlich die Jungfrau, ist eine mit 18 Zügen gezogene eine
halbpfündige Kugel schiessende künstliche Feldschlange 1'' 4''' 11''''
im Caliber von 5' 10'' 6'''
oder ungefähr 38 Caliber Länge. -
Um die Ladung von hinten hineinbringen zu
können, ist sie auch nach hinten zu offen, so dass eine aus Eisen geschmiedete,
die Ladung enthaltende Kammer hineingestossen werden kann, welche mittelst eines
durchgestossenen eisernen Keiles festgehalten wird. - Zwischen den
Lafettenwänden ist ein Munitionskästchen angebracht; - weiter abwärts befindet
sich ein eiserner Bolzen durchgestossen, an welchem die beyden Arme der
Gabeldeichsel befestigt sind, um dieselbe, mittelst Einspannen eines Pferdes
ohne Protzwagen fortzuschaffen. -
Auch das Aeussere dieser Geschützröhre
ist eben so sinn- als kunstreich ausgestattet. Am Kopfstück befindet sich (en
relief) ein Frauenzimmer, in altteutsche Tracht gekleidet, abgebildet mit einer
Krone nicht unähnlicher Kopfbedeckung, einem steifen Kragen, langen weiten Rock
mit Schürze, mit einer Kette um den Hals und einer zweyten längeren Kette, an
welcher ein Schlüssel angehängt ist. - Unter dieser Figur befinden sich die
Worte:
"Jch
bin die Jungfrauw wolgestalt
welchen
ich küss, der wirt nit alt."
Auf dem Bodenstück steht die Jahrzahl
1611; unter derselben der Reichsschlid, und unter dem Reichsschild 2
Zürichschilde, gehalten von 2 Löwen, von denen der Eine das Schwert, der Andere
den Reichsapfel trägt.
Zürichbraut und Brem sind auch erwähnt in „Artillerie III – Der Weg zum einheitlichen Artillerie-System“ , von Walter Bretschmann.
Quelle der beiden Bilder 03E und 03F WebcollectionLandesmuseum: