Hans Rudolf Werdmüller 1614 - 1677

General Hans Rudolf Werdmüller, 1614 – 1677,

zeitgenössischer Kupferstich von Phil. Kilian.

In fremden Kriegsdiensten hatte er es mit verwilderten Soldateska des Dreissigjährigen Krieges zu tun gehabt; vielleicht verstand er deshalb die zürcherischen „Bürger im Wehrkleid“ nicht ganz richtig zu behandeln.

1650 hatte er die Halbinsel Au gekauft und sich dort ein Landhaus in italienischem Stil erbaut. Uns heutigen ist er ja vor allem durch C. F. Meyers Novelle „Der Schuss von der Kanzel“ bekannt. Jene ganze Geschichte ist zwar reine Erfindung des Dichters; der Charakter des Generals ist darin aber im ganzen richtig, wenn auch etwas überspitzt, dargestellt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 






Radierung von Conrad Meyer, 1654

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hans Rudolf Werdmüller (1614–1677), Schweizer Offizier
Conrad Ferdinand Meyer, der Schuss von der Kanzel (Hauptrolle: Hans Rudolf Werdmüller)

General Hans Rudolf Werdmüller-Reinhard, 1614-1677       PDF-Datei zum herunterladen

Eine Zeittabelle zusammengefasst aus Leo Weisz: Die Werdmüller. Schicksale eines alten Zürcher Geschlechtes. 3 Bde. Zürich 1949; Band 1, 139-288

1614   Hans Rudolf Werdmüller (HRW) wird am 6. Februar geboren.

1616   Geburt von Bruder Hans Georg  (der stillere Bruder, späterer Kriegsbautechniker und -zeichner)

1617   Vater Hans Rudolf Werdmüller-Wydenmann, Herr im Seidenhof, stirbt. Seine Frau führt den wohlorganisierten Seidenhof erfolgreich weiter und heiratet Junker Hans Caspar Schmid, ein Offizier mit Leib und Seele, der seine Stiefsöhne für eine Militärkarriere vorbereitet. Der junge HRW begeistert sich für Militärtechnik und Kriegsdienst.

- 1623  ergänzend zur Zürcher (trad. theologischen) Schule erhält HRW Mathematikunterricht von Philipp Gyger.

1623   Der Neunjährige wirbt eine Kompagnie Knaben an, um als Hauptmann mit ihnen zu exerzieren.

-1627  Französisch Unterricht.  Mathematikunterricht bei Stadtingenieur Johann Ardüser, der aus diesem Unterricht ein Geometrielehrbuch veröffentlicht und auch die damaligen Innovationen Zürichs zum Vermessungswesen festigt.

             Exkurs: Die antike Mathematik lebt mit der Aufklärung im 15./16.Jh. wieder auf. Die Trigonometrie feiert eine Blüte im Nutzen der Feldmesskunst, Bauwesen, Befestigungskunst und Artillerie. Auf Schrittzähler, Messräder und Messwagen folgt die Entwicklung zahlreicher handlicher Instrumente, z.B. 1577 der Quadrant von Nicolaus Stupa (Basel), der 1596 in Holland verbessert wird, aber noch komplizierte Tabellen für die Distanzbestimmung braucht. 1600 konstruieren zwei Zürcher, der Steinmetzmeister Philipp Eberhard und Goldschmied Leonhard Zubler, den ersten Telemeter, auf dem der spätere Theodolit basiert. Tabellen und Rechnen erübrigen sich. Auf zwei Kupferstichen entsteht die Anleitung zur Triangulation, und anschliessend entwickelt Zubler ein Instrument zur astronomischen Messung. 1607 beschreibt eine Zeichnungs-Anlei­tung für „Stätt, Gärten, Weiler und Landschaften“ erstmals einen Messtisch. 1608 ent­wickelt Zubler für die Artillerie ein Universalinstrument in der Form eines Zirkels, der nebst der Vermessung auch der Munitionsmessung, Laufkorrektur, Pulverbemessung etc. dient.  Nach dem Tod Zublers 1609 führt ein Kreis mathematisch Interessierter die Entwicklung fort. Johann Haller liefert solide militärische Arbeiten und wird 1620, kurz vor seinem Tod, Stadtbau Ingenieur. Auf Haller folgt Ardüser. Zürich wird interna­tionale Ausbildungsstätte in dieser neuen Fertigkeit. (Siehe auch Matthäus Merian, Tycho Brahe und Hans Konrad Gyger). http://www.villmergerkriege.ch/Vermessungstechnik/Vermessungstechnik.html

1627   Die beiden jungen Werdmüller studieren Französisch, Italienisch, Latein, Griechisch, Poetik, Musik, Geschichte, Philosophie, Mathematik, Physik, Vermessungskunde und Baukunst in Genf, von wo sie als Meister der Militärwissenschaften zurückkehren werden. Wie es sich nur Vornehme leisten können, haben sie im jungen Theologen Caspar Weiss einen Hofmeister dabei. Zu dritt reiten sie zu Pferd, zwei Diener folgen zu Fuss. Hans Rudolf fühlt sich bald nur noch im Kreise des höheren Standes wohl.

1629/30 Ergänzend zum Studium üben sie sich im Reiten, Fechten und Schiessen. HRW wird als erster Auswär­tiger Schützenkönig und wird mit Ehren überschüttet. Alle drei erhalten darauf das Genfer Bürgerrecht. HRW gewinnt einen Monat später auch das Büchsenschützenfest. Zu ihren Ehren wird gar ein Schauspiel gewidmet. Alle Festlichkeiten kosten den Seidenhof 15‘000 Pfund.
Zum damaligen Zeitgeist der französischen Renaissance gehörte auch eine neue Wertschätzung der ritterlichen Ideale. Hans Rudolf verschlang alle aktuellen Werke zum Thema des gesitteten Kriegshelden.
Den prägendsten Einfluss aber wird dem Skeptizisten Michel de Montaigne zugesprochen. Alle Lehren zu Gott, Natur und Menschenseele galten als unklares Gemenge von Vorurteilen, unbewiesenen Behaup­tungen, unsicheren Beobachtungen und willkürlichen hypothetischen Spekulationen. Vor diesem Hintergrund galt die Mathematik als ideal der Wissenschaft.

1630/31 Alle drei reisen weiter nach Lyon und studieren 9 Monate Fortifikationswissenschaft und Planzeichnen bei Vaucelles. Ausserdem werden Kontakte zu einem Lyoner Unternehmen gepflegt, das mit dem Seidenhof handelt.

1631   Weiterreise nach Orléans, Paris, Rouen, Caen, St. Lô, St. Michel, Honfleur, Havre de Grace, Rouen und
für vier Monate anch Paris. Die Reise und Lebensauslagen bleiben weiterhin sehr hoch. St. Germain, Tours, Angers, Nantes, La Rochelle, Bordeaux  und Montauban.  

1632   HRW tritt als Freiwilliger in die königliche Armee unter Marshall von Schomberg gegen Montmorency  und erfährt seine Feuertaufe Anfang September in der Schlacht zwischen Carcassonne und Castelnaudary. Die Werdmüller sind im Oktober in Toulouse und Narbonne, sehen den König und Richelieu. Der Kriegsfrei­will­lige bittet erfolgreich um einen königlichen Pass, was die Reisen erleichtert nach Béziers, Montpellier und Nîmes , Baucaire, Tarascon, Arles und Marseille, wo sie, erschüttert vom Elend der Galeeren­sklaven, eine Liebesgabe hinterlassen. Avignon, Grenoble, Chartreuse, Bergfestung Montmelian, St.Romain und Genf.

1633   Der Rat von Genf lässt die Werdmüller den Ehrenwein kredenzen. Am 4. Februar, nach 5 ½ Jahren Abwesenheit, kehrten sie zurück nach Zürich, beladen mit Büchern, mit in Zürich unbekannten ballistischen und geodätischen Instrumenten und einer vornehmen weltlichen Ausbildung. Kleidung und grosszügige Lebensführung orientierte sich am hohen Adel des Auslands. Für HRW wurden die Verhältnisse in Zürich gleich zu eng, während sein Bruder Georg sich der Stadtbefestigung widmete, aber auch er sich über die gewöhnlichen Bürger der Stadt stellte. HRW begleitet den Stiefvater an die von den Schweden bedrohte Nordgrenze und tritt dann aber zum Entsetzen der Familie in den Dienst General Gustav Karlsson Horns. Dieser verletzte die Neutralität in dem er von Schweizer Boden aus Konstanz belagerte. Nach der Belage­rung Ueberlingens und Bezug des Winterquartiers kehrt HRW nach Zürich zurück, wo die Familie eine Gattin für ihn ausgesucht hatte, die mit ihrem kühlen Temperament die  weitschweifenden Pläne eindäm­men und bei Abwesenheit des Gatten die Geschäfte des Seidenhofes weiterführen konnte. Die 14 Jahre ältere Anna von Reinhard, Tochter des steinreichen Junkers und Amtmanns Hans Reinhard. Ein sozialer Aufstieg.

1634   Zurück bei General Horn und zahlreichen Kämpfen in Bayern wird zusammen mit Herzog Bernhard von Weimar am 5./6. Sept. erfolglos ver­sucht, die protestantische Reichsstadt Nördlingen von den belagernden kaiserlich, bayrischen Truppen zu befreien. Das Heer wird fast völlig vernichtet, Horn festgenommen und HRW flüchtet mit den Resten der schwedischen Armee über den Main. Heimkehr im November mit weiteren Landsleuten in schwedischen Diensten.

1635   Bündner Katholiken rufen die Habsburger ins Land, worauf Frankreich unter Herzog von Rohan mit 4000 Eidgenossen und 6000 Bündnern ins Veltlin zieht. Junker Oberst Schmid (HRWs Stiefvater) befehligt ein Regiment Zürcher mit HRW als viel Mut zeigenden Oberstleutnant. Schlachten in Livigno, Mazzo und Morbegno. Der französisch ausgebildete Draufgänger HRW fällt von Rohan auf.

1637   5.Mai, Aufstand der von Richelieu enttäuschten Bündner. Von Rohan muss gehen, und HRW beherbergt ihn im Seidenhof. Vertrag mit Herzog Bernhard von Weimar über den Eintritt in den Schwedischen Dienst.

1638   HRW wird als Oberstleutnant ein schwedisches Regiment unterstellt. 28. Feb. Schlacht bei Beuggen, Rohan wird schwer verletzt. 3. März Schlacht bei Rheinfelden. HRW muss heimkehren, darf nicht gegen Breisach, weil das gegen die Vereinbarung der Eidgenossen mit Habsburg ist (sowie gegen Paris und den Stiefvater).

             Der Heimgekehrte soll sich stärker für den Betrieb des Seidenhofs interessieren. Ein Vertrag mit dem Bruder Hans Georg wird ausgearbeitet. Auch die Gesellschaft zum Schneggen versucht den bereits als einer der vornehmsten und massgebendsten Persönlichkeiten der Stadt geltenden HRW zu vereinnahmen.

             Wie HRW mit französischen Gesandten verhandelt wird aber eine Kontaktnahme mit dem in Ungnade gefallenen Rohan verhindert. Die Verhandlungen fruchten nicht, HRW wird missmutig und bricht heftige Auseinander­setzungen vom Zaun, bis der Rat sogar ein Duell mit Oberst Rahn verhindern muss.

1641   HRW – mittlerweile Vater von 5 Kindern – verhandelt geheim mit Schweden um Aufnahme ins Heer.

1642   General Horn, wieder frei, passiert von Frankreich her die Schweiz. HRW verlässt Zürich heimlich, für 5 Jahre und wird erst Oberaufseher der schwedischen Festungen, wo er aber den Pulverdampf vermisst.

             HRW hilft dem in Deutschland und Dänemark kämpfenden General Torstenson als Oberstleutnant bei Artillerie und Belagerungen, der ihn 1643 zum Obersten befördert.

1644   HRW wird Kommandant von Christianpreis, Kiel und der Insel Fehmarn.

1645   HRW ist im schwedischen Heer nach Böhmen, das am 6. März Österreich in Jankowitz vernichtend schlägt. HRW verfolgt fliehende Österreicher bis an die Donau, belagert erfolgreich Donauschanze bei Wien, sowie Pegau, Rensburg und Eulenburg. Ein Bauchschuss macht HRW nur wenige Monate dienstuntauglich. Mit je einem Regiment Dragoner und Fussvolk muss HRW für Ruhe und Ordnung in der Lüneburger Heide sorgen und wird Kommandant von Buxtehude, Verden und Bremervörde.

1646   HRW wird in der Harz Kommandant der freien Reichsstadt Nordhausen. HRW muss auf Befehl der Zürcher Obrigkeit heimkehren, um als Obrist den Wädenswiler Aufstand zu befrieden, der nach der Steuererhebung für die Stadtbefestigung und durch das Aufhetzen der Schwyzer ausgelöst wirde. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm die Dringlichkeit, zu Hause zum rechten zu sehen, nahegelegt. Rückkehr nach Deutschland zum Abschied und Abtransport des Soldguthabens (in Haller Salz). Kaum bei der Truppe bittet er aber den Rat Zürich, ihn bei den Schweden zu belassen, was Zürich (aussenpolitisch) kategorisch ablehnt.

1647   Selbst die Bitte Generalfeldmarschalls Wrangel (Torstensons Nachfolger) an Zürich um den zum General-Adjuntanten Beförderten wird ausgeschlagen – mit Hinweis auf die „bisher wohl observierte Erbeinigung zwüschent Hus Oesterrych und gemeiner löbl. Eidtgnosschaft … auch in ryfem Nachdenken gegenwärtigenn Zyten, nit ussert aller Gefahr begriffen“. Wrangel nahm inzwischen die Insel Mainau und die Bregenzer Klus mit reicher Beute in Besitz. HRW war sogar noch bis zur fruchtlosen Belagerung Lindaus dabei.

Exkurs

Kein Schweizer Offizier hatte in fremden Diensten solch eine Karriere – und dies als Bürgerlicher, in einer Zeit, als

die adelige Herkunft noch Voraussetzung zum Offiziersdienst war. Der gut ausgebildete HRW profitierte auch von

der Zunahme der Schusswaffen und der dazu notwendigen verfeinerten Infanterietaktik.

11.Jh  Im Mittelalter wurde die Wehrpflicht Privileg des ritterlichen Adels, was die Bevölkerung scharf in zwei Klassen trennte. Die Mittelschicht in den Städten, der der Dienst zu Fuss unwürdig schien, eiferte dem Adel nach und führte Reiterkämpfe. Die Fürsten strebten nach Selbständigkeit und Macht. Trotz gegenüber dem König, Fehden gegen höher Gestellte, gegen Städte und die Wegelagerei der Stegreif Ritter führten zu

14. Jh    grosser Unsicherheit. Ab Anfang 14 Jh. lehnten sich Volksgruppen auf, nachdem sie als Begleittruppen kriegstüchtig geworden waren – so auch die Eidgenossen. Deren Schlachtordnung war auch Marschord­nung. Der Gewalthaufen, in der Tiefe 20 Glieder, mit Hellebarden und Spiessen an den Flanken, wirkte erfolgreich als geschlossene Masse. Die Vorhut hatte Bogenschützen, zahlreiche Spiesse und einige Hellebarden. Die Nachhut deckte den Tross. Die Infanterietaktik wirkte mittels elementaren Bewegungen. Die eidg. Erfolgsserie stärkte das Selbstvertrauen, und die im Volk verbreitete kriegerische Gesinnung erleichterte die massierte Rekrutierung. Jahrhunderte dienten Eidgenossen in der Fremde.

16.Jh  Die Entwicklung der Feuerwaffen im 16. Jh. änderte die Kampfweise, die Koordination von Musketen und

17. Jh  Spiessen war schwierig, die mit der spanischen Ordnung zu Beginn des 17 Jh. gelöst wurde (Spiesse innen, Schützen aussen, wenige grosse Kampfeinheiten). Für die unterdotierten Holländer entwickelte Moritz von Oranien eine möglichst breite, durchmischte Aufstellung mit wenig Tiefe, wobei die Schützen weniger eng standen und zum Nachladen nach hinten rotierten, was zu ununterbrochenem Gewehrfeuer führte. Die Reiter wurden Musketiere und legten die Lanzen ab. Die Anzahl verschiedener Kaliber wurde bei der Artillerie reduziert.  Aus der Antike wurde die innere Disziplin übernommen, sowie das Exerzieren für den Truppenzusammenhalt, was anspruchsvollere Bewegungen erlaubte. Die Zahl der Befehlshaber wurde stark vermehrt. Der Oranier wird deshalb als Schöpfer des Offiziersstands verstanden. Sogar die Schanzarbeit als zusätzliche taktische Fertigkeit konnte nun von Truppen verlangt werden, was andernorts als entehrende Zumutung abgelehnt wurde.

             Wallenstein (kath., kaiserlich deutsche Truppen) setzte auf die spanische Ordnung, während Gustav Adolf (prot., schwed.) auf die holländische Ordonnanz setzte und sie weiter entwickelte, strategisch grosszügiger, bessere und leichtere Waffen und Rüstung. Die Geschütze wurden aber grösser. Eine neue Fechtweise der Kavallerie dient dem Schock mit der blanken Waffe. Neue humane Grundsätze stellten die Ehre und Ehrenhaftig­keit des Soldaten in den Vordergrund. Bewohner eroberter Gebiete wurden sogleich schwe­dische Untertanen. Der bisherige Usus, dass der Soldat sich selbst vor Ort verpflegt, wurde neu durch eine Verpflegung abgelöst, was Plünderungen vermeiden sollte. Damit war ein Grundstein für die späteren stehenden Heere gelegt, aber auch für die Notwendigkeit eines geordneten Kriegshaushalts.

An diesen Prinzipien orientierte sich HRW zeitlebens, was mit ein Grund für seinen raschen Aufstieg im Schwedischen Heer war. Wiederholt wurden ihm auch grössere Beuten zugewiesen.

1648   Dem geruhsamen Leben mit den kleinlichen Zürchern versuchte HRW mit Dienst beim franz. König gleich wieder zu entkommen. Viele Eidgenossen dienten dort, ohne jeden Anstand seitens der Behörden.
Aber HRW erreichte keine Stelle als Obersten -  auch hier nicht – es sollte ein lebenslang angestrebtes aber kaum je erreichtes Ziel bleiben. Die Obersten waren eigentliche Unternehmer die der ausländischen Regierung im Abrechnungsverhältnis standen und durch ihren „Regimentsbesitz“ viel verdienten.
Stattdessen ergab sich für HRW eine neue Gelegenheit aus dem Hilferuf von Venedig, das seit 1618 mit Zürich und Bern verbündet war und seit 1639 unter Seeräubern litt, die 1648 plötzlich unter dem Schutz der türkischen Pforte standen. HRW wurde zur Führung der 2200 Berner und Zürcher auserkoren. HRW hatte zögerlich zugesagt und der weitere Verlauf war konfliktbeladen (bezüglich Auftragsverständnis und miserablem Empfang durch Venedig, wobei die katastrophale Verschiebung auf den Lido einen Fünftel der Mannschaft kostete!). Zürich und Bern verstanden HRW erst verzögert, wieso er gewisse Aufträge verweigerte. Nun kürzte Venedig die Verpflegung und den Sold und warf ihnen Drücken vor dem Dienst vor. HRW verpflegte aus eigener Tasche. Die Disziplin der Truppen artete aus. Mit schwedischer Strenge entfremdete er nun die eigenen Truppen, wobei sie zur Bewachung der Küste weit verteilt waren. Infolge von Venedigs Finanzschwierigkeiten wurde noch weniger Sold bezahlt und zugeführte Verpflegung mit Zoll belegt.

1649   HRW wird im Senat von Venedig vorstellig und schickt Hauptmann Burkhard zur Klage nach Zürich, wo grosse Sorge über Berichte vom Umgang HRWs mit den Auftraggebern herrschte. Er schrieb seiner Frau:
„….die Obrigkeit sey gar unwillig. Ich kann dem nichts tun. Es sollte bald ein Heiliger unwillig werden. Soll ich durch falsche Auslagen in meiner Gn. H. Ungnade kommen, so mag es Gott erbarmen. Mein Brod wird mit einen Weg als den anderen nicht mangeln. Züchtet Ihr nur meine Kinder wohl auf, dass wackere Männer aus ihnen werden. Wer weiss, sy werden vielleicht besseres Glück haben, jedermann Recht zu tun, als ich. Gott im Himmel weiss, dass ich für das gantze Regiment und in allen übrigen Sachen ein Mehreres und Besseres nicht tun könnte. Das ist auch das einzige, was mich tröstet….Es sollen die wunderlichen Köpfe und Neidharten ihre Lust in Zürich nicht an mir auslassen…“
Nun grassierte die Pest, und HRW musste mit strengster Absonderung der Angesteckten und Kontaktverbot zur Bevölkerung eingreifen. Jede Übertretung wurde drakonisch bestraft, was ihm später Anklagen eintrug.

             Im Oktober zählte sein Regiment noch 1018 Mann. Zürich und Bern drängten auf Rückkehr. HRW zögerte, weil Venedig so den Sold nicht hätte bezahlen müssen und weil für eine von der Pest angesteckten Mannschaft alle Wege und Schiffe gesperrt würden.

1650   Das Zerwürfnis mit Venedig (das nur versprach aber kaum je zahlte) artete langfristig beinahe in eine finanzielle Katastrophe von HRW aus, der auf Kredit zulasten Seidenhof amtete, wobei die Zinslast stetig zunahm. Im September konnte endlich mit Verhandlungshilfe Zürichs das Vertragsende und die Tilgung der Soldrückstände vereinbart werden. Doch bis zur letzten Rate versuchte Venedig stets mit Abschlägen diesen für sie teuren und unbefriedigenden Wachtdienst zu verbilligen.

1651   13. Feb. Der Restbestand des Regiments (weniger als 888 Mann) zieht in Zürich ein und wird entlassen.
Noch Jahre später wurde HRW immer wieder mit Anklagen und Forderungen konfrontiert. Dieser Dienst an der dalmatischen Küste war eine harte Schule und eine Warnung fürs Leben.  HRW kauft die Halbinsel Au als Landsitz, um Gäste in beliebiger Zahl und zu beliebiger Zeit empfangen zu können (und ohne die Familie zu stören). Dies auch für seinen in Venedig zurück gelassenen orientalisch-üppigen Haushalt mit zwei türkischen Sklaven, einem Laufburschen und einer jungen Sklavin. Ein tüchtiger Baufachmann schuf aus der wüsten Einöde und Viehweide ein irdisches Paradies mit Villa in venezia­nischem Stil, Sälen, Oekonomiegebäuden, Springbrunnen, seltenen Bäumen, Fischbassin, Teich, Kanal, befestigtes Ufer, Weingarten, Alleen durch den Wald und auf den Hügel zum edlen Obst.    Ende 1651 weilt HRW wieder in Venedig, sich nach neuer Arbeit umzusehen und erfolglos die Soldausstände zu adressieren.

1652   Über den Winter erarbeitet HRW im alten Seidenhof einen grosszügigen Kriegsplan nach Muster der u. ff.    „Indischen Gesellschaften“ der Westmächte, den er Venedig vorzustellen plante. Die Finanzschwierigkeiten und die damit verbundene Handlungsschwäche Venedigs überwinden sollte eine Aktiengesellschaft für 25 grosse Schiffen mit Matrosen, 6000 Soldaten und reichlich Vorräten, um die Türken „überall zu bekämp­fen“. HRW berechnet ein Aktienkapitalbedarf von 1.25 Mio Ducati mit Aktien (Curatti) zu 50‘000 Ducaten mit der Erlaubnis pro Aktie Unterbeteiligte zu ermöglichen, erwerbbar in Geld oder Apports auf Schiffen, Waffen, Munition oder Proviant. Die 23 Artikel, die Führung, Gerichtsbarkeit und Gewinnaufteilung beschreiben, werden vom Bankier Piccini dem Dogen vorgelegt, welcher zusagt und ‚Giovanni Rodolfo Vertmiller‘ (HRW) beauftragt. Der Plan gelingt nicht, weil die Aktien zu teuer und die Risiken zu gross waren. Auch die Soldrückstände bleiben offen. HRW löst seinen Haushalt in Venedig auf verschiebt ihn in die Au, wo er sich der Landwirtschaft, Fischerei und Jagd widmet. Für tropische Pflanzen betreibt er sogar einen heizbaren Wintergarten. Wie sein Bruder Hans Georg pflegt auch er die mechanischen Künste in einer Werkstätte mit Schmiede. Er verfertigt Gerätschaften, Gitterwerk, Wagenteile, Pumpen, Wildfallen, Artilleriegerät und gar eine dalmatinische Gondel, die mit 6 Ruderern bei Höchsttempo Gischt erzeugte und zum Teufelswerk erklärt wird. Er versetzt Wild aus dem Sihlwald in den benachbarten obrigkeitlichen Wald, sein tief ausgegrabener Teich zieht Enten an. Er lässt laichende Fische nicht wieder durch die Kanalschleuse zurück in den See. Er zieht ganze Vogelherden an, die er mit italienischen Garnen fing. Mit all diesem konnte er den schwedischen Armee-Brauch pflegen, wonach jeder Offizier sich jederzeit unangemeldet vom Obersten bewirten lassen konnte. HRW hatte Gäste aus aller Welt und er galt in der Bevölkerung bald als Zauberer und Schwarzkünstler, was ihn belustigte und für weiteren Schabernack noch bestärkte. Das Misstrauen gegen ihn nahm zu, Klagen und Verdächtigungen zwangen ihn immer wieder zur Rechtfertigung nach Zürich. Er musste nun vor dem hohen Gericht mehrere Strafexekutionen (s.w.o. Pestregelung 1649) in seinem Regiment in Dalmatien begründen. Zu seiner Verteidigung resümiert er „…ob ein Oberster Macht habe und befugt sey, bei Leib und Leben straf zu gebieten? …so folgt auch, dass er auch Macht hat zu strafen, wo Verbrechen ist…“

1653   HRWs Vetter Seckelmeister Hans Conrad Werdmüller wird General des Kriegsvolks von ZH, SH, AI/AR, GL, SG und TG gegen den luzernisch-bernischen Bauernaufstand und überrascht am 31.5. die Besatzung von Melligen. Mit 8000 Mann (und HRW) schlagen sie am 3.6. das Hauptheer der Bauern bei Büblikon und Wolenswil v.a. dank der massierten Artillerie sowie der Kavallerie. Zürich fordert von den Bernern für diese Leistung 30‘000 Gulden. Der Berner General Embrach verliert alle Sympathie, weil er  sich nicht an den Friedensschluss hält, der die abziehenden Bauern hätte schützen sollen. Bern bezeichnet HRWs Leistung als „nichtig“ und erinnert an die Soldausstände bezgl. Venedig. Das Verhältnis Zürich – Bern bleibt über Jahre beschädigt.  Das zielbewusste und selbständige Vorgehen der beiden Werdmüller wird zwiespältig beurteilt. Insbesondere die streng orthodoxe Rahn-Partei zählt zu den Neidern und Gegnern.

1655   HRW wird am 13.8. in den kleinen Rat gewählt und wird von Ludwig XIV geehrt. Dies ärgert die vielen Neider von HRW, die nebst ihrer tiefen Abneigung gegen sein an Hochmut grenzendes Selbstbewusstsein nun auch einen Konkurrenten um die Aufträge für französische Dienste hatten, die bislang von einer einflussreichen Clique in Zürich monopolisiert wurden.
Nachdem der Bauernkrieg Jahrhunderte der konfessionellen Gegensätze hatte in den Hintergrund treten lassen (Luzern verdankte Zürichs Hilfe von Herzen), sah man die Chance, „die locker zusammenhängenden Glieder der Eidgenossenschaft mit einem kräftigeren Bande zu umschlingen…staatlicher Einheit zu verleihen..“. Bürgermeister Waser  unterbreitet der Tagsatzung der Eidgenossenschaft den Entwurf eines Bundesbriefs. Die katholischen Orte wurden vom päpstlichen Nuntius gewarnt „..etwas anzunehmen, was…zur Benachteiligung der katholischen Religion führen könnte…“. Das gesäte Misstrauen nährte eine gereizte Stimmung.  Im Herbst fliehen 7 protestantische Familien aus Arth nach Zürich, die Lage eskaliert zusehends. Schwyz enthauptet 4 Gesinnungsgenossen der protestantischen Familien.  Zürich beauftragt Hans Georg Werdmüller, Kappel, Wädenswil und Rüti zu befestigen und einen 8-köpfigen Kriegsrat, ein Heer von 18‘000 einzuüben, die Generalität zu wählen und den Kriegsplan zu entwerfen. HRW wird mit der Auflage General, sich jeweils mit Bürgermeister Heinrich Waser zu beraten und zu einigen.

             Basel, Appenzell, GR und SG bleiben neutral. BE sichert Unterstützung zu. Anstelle sofort die Reussübergänge Mellingen und Bremgarten zu besetzen, um den Bernern den Zugang in den Aargau, Freiamt und Innerschweiz zu erleichtern, beschliesst HRW mit einer Besetzung von Baden und Rapperswil den Krieg ausserhalb die Landesgrenzen zu verlegen. HRW meinte, würde es nicht gelingen Rapperswil innert 24 Stunden einzunehmen, solle man ihn „an den höchsten Galgen henken, ja spiessen“.
Der Angriff misslingt u.a. weil die geplante gleichzeitige Einnahme von Hurden via das linke Zürichseeufer nicht stattfindet, weil Generalmajor (und Rivale HRWs) Thomas Werdmüller mit 3-4000 Mann nach Rheinau und Generallieutnan Ulrich in gleicher Stärke in den Thurgau marschiert. Dies ermöglichte Schwyz Rapperswil entscheidend zu unterstützen.

1656   HRW sieht sich damit gezwungen, mitten im Winter Rapperswil zu belagern. Alle seine Vorschläge wurden durch Zürich abgelehnt, seine Pläne durchkreuzt.  Dennoch bringt HRW die Artillerie in Stellung, führt die notwendigen Schanzarbeiten aus und beginnt am 18/19. Januar mit der Beschiessung der Stadt. HRWs Ansinnen, die Stadt am 20.Jan zu stürmen, wird vom Kriegsrat erst abgelehnt und am 23. Jan bewilligt. Der Sturm misslingt. HRW versuchte davor für die geplanten Friedensverhandlungen („Tagsatzung naher Arauw“) seinem Bruder Hans Georg zu befehlen, was zu erreichen sei (Eroberungen anerkennen oder neuer Waffengang). HRW war gekränkt, nicht der Delegation anzugehören. Am 24. Jan verlieren die Berner in Villmergen und HRW verlangt vergeblich, hart zu bleiben. Die gnädigen Herren untersagen jeden weiteren Sturmversuch. Am 28. Januar fallen die Innerschweizer mit 2500 Mann in den Richters- und Wädenswilerberg ein, treiben die zürcherischen Vorposten zurück und verüben Gewalttätigkeiten aller Art. HRW eilt herbei, überfällt die Plünderer, nimmt ihre Beute ab, vertreibt sie von Zürcher Boden, lässt zur Vergeltung 10 Häuser im Zuger Gebiet anzünden und führt reiche Beute weg.
Im Nachgang zum unglücklichen Ausgang des Kriegs, in Anbetracht der Kostenabrechnung der Belagerung wurde HRW von HRWs Gegnern die Rolle eines Haupt-Schuldigen zugeschoben, was in Anbetracht der engen Absprache mit Bürgermeister Waser und des veranstalteten Mehrfrontenkrieges (Rheinau, Thurgau) tendenziös war und HRW zu einer scharfen schriftlichen Replik veranlasste (gebrochene Abmachungen, widersprüchlich ändernde Befehle, Zögerlichkeit). Diese nützte aber nichts, auch die katholischen Stände münzten Ihre Spottlieder auf HRW.

1657   Für den Fall eines erneuten Krieges wird HRW als Oberkommandant in Wädenswil vorgesehen, was einer Rehabilitierung aus Sicht der Regierung entspricht. Aber eine von Thomas Werdmüller betriebene Volksverhetzung macht aus HRW einen Landesverräter, der selbst vor Rapperswil in französischen Diensten agierte und einen Religionsspötter. Seine Familie fürchtet um HRWs Sicherheit, der sich nach Versoix begibt, was ihm als Flucht und als Bestätigung des französischen Dienstes ausgelegt wird. Zum wiederholt angesetzten Inquisitionsprozess im Dezember 1657 erscheint HRW nicht, stattdessen schreibt er.

1658   Nachdem der französische König im franz. Versoix inmitten eidg. Gefildes am Genfersee keinen Asylanten wollte, übersiedelt HRW nach Paris, wo er einen ersten Auftrag in Flandern wegen von Zürich aus via Paris betriebenen Intrigen nicht erfüllt. Die evangelischen Orte erneuern am 1.Juni 1658 den Bund mit Frankreich, das nun mit Empfehlungsschreiben HRW bittet, in Zürich die Angelegenheit zu bereinigen und zum Dienstantritt zurückzukehren. Nun konnte HRW nach Zürich, weil jede Beleidigung auch eine Beleidigung Frankreichs gewesen wäre.

1659   Am 27.4.1657 wird das Urteil im langen Prozess, der sich vor allem um angebliche Gotteslästerungen dreht, mit einer horrenden Geldbusse gefällt. (Für Blasphemie galt eigentlich die Todesstrafe, der Schutz Frankreichs wirkte). Nun schloss der gekränkte HRW definitiv mit Zürich und nahm zwei seiner Söhne mit in französische Dienste. Frankreich ehrte demonstrativ HRW als Generalität aller Zürcher Söldner, was wiederum HRWs Gegner dermassen erboste, dass sie erfolgreich gegen HRW eine Rückstufung erreichten und er bei Marseille mit seiner Kompagnie Dienst leisten musste, was er als Verbannung empfand.

1660   Der Antrag auf Heimkehr und Aufnahme im kleinen Rat wurde wuchtig im grossen Rat abgelehnt. Jetzt wollte auch Paris HRW loswerden. Als auch noch seine Kompagnie infolge Krankheit halbiert wurde, bot er seine Dienste in Venedig an, auch um an die alten Sold-Ausstände zu erinnern.

1661   Venedig wäre einverstanden gewesen, hatte aber von Rom keine Erlaubnis, einen Protestanten zu beschäftigen.

1662   Nach endlos wiederholten Reisen nach Venedig mit wechselnder Unterstützung aus Zürich und Bern, treffen endlich die ausstehenden 17 683 Ducati in Zürich ein. Die Abrechnung mit seinen Hauptleuten erzeugte erneut Streitigkeiten, der 1663 in einem Rechtstag beigelegt wird.

1663   HRW wird in Venedig Generalleutnant der Artillerie mit 4000 Ducati Jahresgehalt. Der befürchtete Krieg gegen die Türken blieb wegen deren Feldzug nach Ungarn. Deshalb wollte Venedig stattdessen Kreta rückerobern.

1664   HRW recherchiert auf Kreta für die Berechnung des notwendigen Kriegsmaterials, welches vom Rat zwar bewilligt, aber mangels Finanzen nicht vollständig zum Aufbruch der Kriegsflotte bereit war.

             Auf den Inseln Zante, Cerigo, Samos, Chios, Andros und Paros kämpft HRW gegen die Türken oder verbessert Zeughäuser und Festungen. Venedig war enttäuscht, weil dies statt der Eroberung Kretas stattfand und war noch stärker erbost, als HRW begründete, dass das Kriegsmaterial noch immer fehle. Darauf wird dem gekränkten HRW ein savoyischer Marquis und Kavallerist vor die Nase gesetzt.

1665   Kaiser Leopold von Wien ignoriert HRWs Gesuch um Aufnahme in seinen Dienst. HRW lebt auf Paros wie ein Fürst als Repräsentant von Venedig. Das Kriegsmaterial kommt endlich in Paros an.

1666   Kämpfe in Kreta. Zunehmende Entfremdung von HRW mit dem vorgesetzten Marquis verhindern rasche Erfolge. HRW wird beauftragt, Candia zu befestigen. HRW wird bei den Bauarbeiten von einer türkischen  Musketenkugel am Kopf getroffen. Die von den Ärzten beschlossene Trepanation lehnte HRW ab, verordnete seine Behandlung selbst und genas rasch. Im Gegensatz dazu verstarben 10 Mitverwundete an den Behandlungsmethoden der Ärzte. HRW wird von Venedig gerügt, sich leichtsinnig Gefahr ausgesetzt zu haben. HRW wird in Angesicht des Todes, den ihm die Ärzte diagnostizieren, tiefsinnig und schreibt und reimt in religiöser und pathetischer Art.

1667   50000 Türken greifen Candia an. Erstmals in der Geschichte wird eine Belagerung (Mai bis Dez) systematisch mit Minen durchgeführt. Trotz Massenepidemie überstehen die Belagerten.

1668   HRW wird nach Dalmatien versetzt. Er ersucht um Urlaub, um den Sold der in Marseille mittlerweile aufgelösten Kompagnie zu holen. Er soll aber erst nach Wien, weil angeblich Ludwig der XIV immer aggressiver würde, und er (HRW) für seine heimatliche Obrigkeit eine Anlehnung an Österreich sondieren solle. In Wahrheit wollte der mittlerweile berühmte „Verteidiger von Kreta“ sich selbst in Wien empfehlen. Als er zahlreiche Fürsten, Räte und Generäle für eine Anstellung bei Kaiser Leopold gewinnen wollte, erfuhr der Geheimdienst von Venedig von der Sache. Venedig ordert HRW sofort zurück. HRW aber täuschte nun eine Krankheit vor, blieb in Triest und verhandelte weiter.

1669   HRW muss die bedrohten Festungen in Dalmatien verbessern, was ihm so gut gelang, dass Wien, das sich ebenfalls gegen die Türken rüsten wollte, aufmerksam wurde. Nun musste HRW seinen Sohn aus französischem Dienst losbringen, weil ein Engagement HRWs beim Kaiser eine Rache Frankreichs herausfordern würde. Die Türken erobern Candia, Friedensverhandlungen bringen Entspannung. HRW quittiert den Dienst und muss wiederum bis 1672 um seinen Sold kämpfen. HRW wirbt lange und aufwändig um Anstellung in Wien.              

1672   HRWs Frau stirbt. Zurück in Zürich bemerkt er die noch immer offene Feindschaft. Erschwerend kommt hinzu, dass HRW für den Dienst für Österreichisch zum katholischen Glauben konvertiert. HRW regelt seine finanziellen Angelegenheiten mit seinen weit verteilten Schulden und mit allen Erbangelegenheiten für seine Kinder. Zurück in Venedig wetteifert sein Luxusleben mit den reichsten Lagunenbewohnern.
Endlich wird HRW in Wien in Sold genommen. Bei seiner Audienz beim Kaiser, findet dieser Gefallen am wortgewandten und gebildeten HRW. Eine Teilnahme am Feldzug gegen protestantische Ungarn weiss er zu vermeiden. Er will gegen Frankreich kämpfen, das ihn tief gekränkt hat.

1673   Feldzug an den Main gegen Frankreich. HRW erregt Aufsehen, wegen seiner Gelage, seiner Kritik an der kaiserlichen Strategie mit Märschen und Gegenmärschen den Feind ohne Angriff lediglich zu täuschen. Um am Hof in Wien Einfluss zu haben, hatte sich HRW ein Netzwerk via Franziskanermönche geschaffen und berichtete alle Details von der Front. Er sondert sich demonstrativ von den (adeligen, jesuitisch orientierten) österreichischen Offizieren ab und lässt seine Truppen exerzieren, was sich später in der Belagerung von Bonn bewähren soll. HRW wurde als Emporkömmling und von Bettelmönchen (Franziskaner) geschobenen Offizier betrachtet, dessen Vorschläge und Leistungen dennoch Beachtung und Eifersucht fanden. Bei der Belagerung von Bonn legte HRW seine Laufgräben so rasch und geschickt an, dass es hiess, man solle sich ein Beispiel nehmen. Seine Gegner höhnten, HRW setze sich selbst dem Kugelregen aus, wo ein Kommandant doch Subalterne befehle. HRW habe selbst eine subalterne Seele.

             HRW begründete dies als Schwedische Art, dass ein Offizier sich gleicher Gefahr wie seine Soldaten auszusetzen habe. HRW Truppen waren dann auch bei der Erstürmung Bonns zu vorderst. Frankreich wurde erfolgreich vom rechten Rheinufer verdrängt. Um HRW von der Hauptarmee zu entfernen, wird er beauftragt, das stark befestigte Lichenich zu erorbern. Innert Wochen kapitulieren die Belagerten.
Die neidischen österreichischen Offiziere verschwören sich gegen HRW, der seine christliche Gesinnung beweisen muss.

1674   HRW erlangt Ruhm, weil er in der Schlacht bei Einzheim wiederholt in ein Unentschieden retten konnte. Damit kann Österreich auf dem linken Rheinufer vorrücken. Die Zerstrittenheit der österreichischen Generäle verpasst die Gelegenheit, die französische Seite weiter zu schwächen.

1675   Mit Verstärkung aus Flandern greifen die Franzosen mitten im Winter (Januar) Türkheim an. Auch HRWs heftige Gegenwehr nützte nichts. Österreich (und seine Alliierten) zogen sich über den Rhein zurück. Weiterhin erhält HRW kein eigenes Regiment. Er lässt dem Kaiser einen detaillierten Bericht der Niederlage zukommen und kritisiert die österreichischen Offiziere scharf. Der Kaiser rügt entsprechend, was HRW noch mehr Hass einbringt. HRW sucht erneut Kontakte nach Spanien, muss aber die Schwarzwaldpässe gegen die Franzosen inspizieren, weil diese in Breisach aktiv sind und am 14. März Hüningen besetzen, von wo sie HRW schon am 15. März mit der Rheinfelder Besatzung rheinabwärts vertrieb.

             Erneut versuchen sich Franzosen (weiterhin unter Turenne) und Österreicher (unter Montecuccoli)  mit strategischen Kreuz- und Querzügen zu ermüden und zu überraschen. Ein anspruchsvoll geplanter Angriff (vorgeschlagen vom ungeduldigen HRW) misslingt, weil die Artillerie sich nicht an die Abmachung hält. Bei Sasbach fällt Turenne, Österreich (bzw. die Alliierten) rücken über den Rhein bis Kehl vor. HRW leistet Hervorragendes in Goldscheuer (Boivers). Die Generäle halten aber HRWs Methoden für bedenklich. Er erhält 4000 Mann und einige Kanonen, um einen Teil des Elsass zu besetzen. Er nimmt rasch Molzheim, Mutzig, Oberehnheim, Rossheim und andere Städte ein.

1676   Am 5.März steht HRW mit seinen Truppen vor Philippsburg (nördl. Karlsruhe), um 6000 Franzosen unter General Rochefort erfolgreich den Weg zu versperren und erstürmt (bereits zweimal verwundet) am 18. Mai die französische Rheinschanze, um so die Franzosen zu blockieren, während die Alliierten Philippsburg bis zur Kapitulation am 17. September belagern. HRW verlangt vom Herzog von Lothringen, ein Schwager des Kaisers, Urlaub. Der Urlaub wird nicht gewährt. HRW erwirkt aber den Urlaub via Wien, was der Herzog als Demütigung durch einen untergeordneten Schweizer empfindet und zum offenen Feind HRWs wird.

1677   HRW lässt sich bei der Regelung privater Angelegenheiten in Frankfurt von Merian porträtieren und erwirkt in Wien endlich das Versprechen auf ein eigenes Regiment. Als Kommandant der Artillerie beteiligt er sich bei der Einnahme von Schloss Dillingen, Kirchel und Saarbrück. Aber den Franzosen gelingt es, die Alliierten zurück über den Rhein zu zwingen und sogar Freiburg im Breisgau zu besetzen. HRW empört sich über das schwächliche Ausweichen: „Wenn zwüschen sagen und tun nit eine so grosse Distanz wäre, mein Herr glaube mir, es würden sehr grosse Sachen in der Welt verrichtet werden.“
Mitte Dezember bezieht HRW in Mengen Winterquartier und hat Oberaufsicht über die Schwarzwaldpässe. Als er in Villingen vor seinem Quartier, dem Gasthaus „zum schwarzen Adler“, vom Pferd steigen wollte, wurde er ohnmächtig. Nach einigen Stunden verschied er im Alter von 63 Jahren und 10 Monaten. Da ihm Zürich keine Ruhestätte gewährt hätte, wurde er in der Münsterkirche Villingen bestattet.