Über den Rapperswilerkrieg (im Kontext des ersten Villmergerkrieges) zur      PDF-Version zum Herunterladen

Aus „Geschichte der Zürcherischen Artillerie“ herausgegeben von der Feuerwerker-Gesellschaft in Zürich 1850 von David Nüscheler Für Quellenangaben und diverse Fussnoten wird auf das Original verwiesen. In Klammern integrierte grössere Fussnoten in Blau.

Die Währungskrise - aus der Vorgeschichte nach dem Dreissig Jährigen Krieg und vor dem Bauernkrieg

ab Seite 88

§23. Dass man in der zweyten Hälfte des Siebenzehnten Jahrhunderts sich sehr bemühte, unser Kriegswesen so weit es nur immer möglich war, zu vervollkommnen und zu erweitern, das erklärt sich nur zu leicht, neben den immer drohender werdenden äussern Constellationen, aus den innern Empörungen und Zerwürfnissen, welche zu zwey kurz auf einander folgenden innern Kriegen die unglückliche Veranlassung gaben.

Während des ganz Teutschland verheerenden dreissigjährigen Krieges entstand daselbst ein grosser Getreidemangel, so dass für die Teutschen Gränzländer nirgends Zuflucht und Nahrungsquelle zu finden war, als im Schweizerland; - wohin Teutsche Flüchtlinge in Schaaren auswanderten.

Es hatte dieses zur Folge, dass alle Lebensmittel einen ungewöhnlichen Preis erreichten, auch die Wohnungen um grosse Summen vermiethet und verkauft wurden. Hiedurch bereicherten sich die Landleute, gewöhnten sich an Luxus, und trieben, wegen des häufigen Geldes, das durch die Teutschen Flüchtlinge in die Schweiz kam, ihre Güter, Äcker, Häuser und Höfe auf den höchsten Preis.

Nachdem inzwischen (1648) der Friede zurückgekehrt, gewann Teutschland, wegen seiner Fruchtbarkeit, bald wieder Überfluss an denjenigen Lebensmitteln, welche bisher um theures Geld aus der Schweiz bezogen worden waren, und mit den Teutschen Flüchtlingen, die wieder heimkehrten, ging auch das Geld aus der Schweiz fort. – So wie, so lange der dreissigjährige Krieg gedauert, alle Güter, Höfe und Äcker in hohem Preise sich befunden hatten, so sank nunmehr der Preis des Grundes und Bodens sowohl, als derjenige der Lebensmittel gleichsam zusehends. (z.B. ein Viertel Kernen kostet 1635 in Zofingen 40 Batzen, 1649-51 noch 15 Batzen).

Dazu kam noch eine andere Beschwerde. – Während des dreissigjährigen Krieges waren die groben Geldsorten so weit über ihren innern Werth gestiegen, dass ein Neuthaler in Silber in der Eidsgenossenschaft 50 Batzen Scheidemünze galt. – Um diesem Missverhältnis zu begegnen, liess die Regierung von Bern die Batzen zu geringerm Gehalte münzen, damit 50 derselben an innerem Werthe demjenigen eines Neuthalers gleichkommen möchten, welchem Beyspiel theilweise auch Freyburg und Solothurn nachfolgten. – Als nun aber nach der Wiederherstellung des Friedens in Teutschland die groben Geldsorten auf ihren wahren Werth herabsanken, da entstand zwischen denselben und der Scheidemünze von Bern, Freyburg und Solothurn ein grosses Missverhältniss, welches dadurch noch bedeutend vermehrt ward, dass eine Bande Falschmünzer in Italien, den Bernerstempel missbrauchend, ganze Fässer voll falscher Bernerbatzen in die Schweiz einschmuggelte, und dadurch (laut Mandat vom 25. August 1652) die Berner-Regierung zum Verboth der Annahme fremder Scheidemünze veranlasste.

Nachdem solche jedoch in Erfahrung gebracht, dass bey etlich‘ 100‘000 Kronen von falschen und nachgeprägten Bernerbatzen  bey gewissen  Benachbarten in Bereitschaft lägen, welche alle in das Land geworfen werden sollten, so entschloss sie sich, nach reifer Berathung (laut Mandat vom 22. Nov 1652), ihre eigenen Batzen (um den Fremden die Begierde, solche nachzuprägen und in das Land zu werfen, zu benehmen) auf die Hälfte , die Freyburger-, Solothurner- und andern Eidsgenössischen Batzen auf 3 Kreuzer herabzusetzen; - wobey sie indess ihren Unterthanen bewilligte, dass dieselben die ausstehenden Geldzinse in Zeit von 3 Tagen nach Auskündigung des Mandats an die obrigkeitlichen Verwaltungen in Berner-Batzen zu vollem Werthe entrichten könnten, indem der daraus entstehende Verlust vollständig von der Obrigkeit übernommen würde.

Während diese auch von Lucern (Durch ein Mandat vom 18. Dec. 1652 bestimmte Lucern den Werth eines Berner-Batzens auf 2 Kreuzer, den der Freyburger- und Solothurner-Batzen auf 2 Lucerner-Schilling.) und Solothurn (Durch Solothurner Rathsbeschluss vom 4. Februar 1653 sollen fürohin Freyburger- , Solothurner- und Länder-Batzen nicht mehr, als 3 Kreuzer, die Bernbatzen aber einen halben Batzen gelten.) nachgeahmte  (mit der 200 Jahre später stattgefundenen, auf dem friedlichsten Wege durchgeführten Münzveränderung einen merkwürdigen Gegensatz bildende) Herabsetzung der Scheidemünze zwar als eine der wesentlichsten angeblichen Veranlassungen des allmählig bis zur Empörung  sich steigernden Missvergnügens zu betrachten, so lag dennoch höchst wahrscheinlich desselben Grundursache noch tiefer; sie lag in jenem Geist der Unruhe und der Empörung, welcher um die Mitte des Siebenzehnten Jahrhunderts  über einen grossen Theil von Europa sich verbreitet hatte. („Bey 35 Jahren her [seit anno 1618] ist der unruhige Geist hochschädlicher Empörungen alle Länder durchgedrungen. – Mehrmalen hat er angeklopfet auch in der Eidsgenossenschaft, vorab aber in diesem 1653ten Jahr“).

Dieses unter der Asche glimmende Feuer kam zuerst in dem zum Gebiete der Stadt Lucern gehörenden Entlibuch zum gewaltsamen Ausbruch…26. Jan. 1653 … [=> Ausbruch des Bauernkriegs]

Zum ersten Villmergerkrieg (Rapperswilerkrieg) Für die Herrschaft Wädenswil Relevantes in Rot.

Ab Seite 95

§24. Nachdem es nun endlich gelungen, das Feuer der Empörung in dem ganzen Schweizerlande wieder auszulöschen, so war um desswillen noch kein wahrer Friede in unsere Thäler zurückgekehrt, um so weniger, als schon damahls die Bewegungen und Stürme, welche, gleichviel in welcher Richtung, in unserm Vaterlande sich erhoben, mit demjenigen grösserer Länder, ja mit den vielseitigen  grossen Kämpfen, zusammenhingen, welche unsern Erdtheil schon seit mehr als drey Jahrhunderten in seinen Grundfesten erschüttert haben, und noch  erschüttern.

So wenig daher der Schweizerische Bauernkrieg nur der Herabsetzung der Scheidemünze zuzuschreiben; (In einem an die Fürsten und Stände des Reiches gerichteten Manifest Kaiser Ferdinand III. d. d. Regensburg 7. Oct. 1653 wird bemerkt, dass, wenn das Feuer der Empörung durch die Vorsicht der Eidsgenossen nicht bey Zeiten gedämpft  worden wäre, solches leichtlich in grössere Flammen hätte ausbrechen, mithin auch die benachbarten Länder hätte ergreifen und beunruhigen können.) ebenso wenig veranlasste die Auswanderung einiger Dissidenten von Arth auf der Zürcher Gebieth nur für sich allein den Rapperschweilerkrieg.

Neben den Nachwehen des schon mehrerwähnten dreissigjährigen Krieges hatte die Revolution in England http://de.wikipedia.org/wiki/Englischer_B%C3%BCrgerkrieg auch das übrige Europa zurückgewirkt, besonders aber neben ihrer politischen Seite, auch die confessionellen Gegensätze neu aufgeregt, vorzüglich in unserm seit der Kirchentrennung so sehr zerklüfteten Vaterland; indem die in kirchlicher Beziehung einander gegenüberstehenden beydseitigen Confessionsgenossen (jeder Theil auf ähnliche Weise) je nach Umständen ihre auswärtigen Glaubensverwandten unterstützten, oder dieselben um Hülfe ansprachen; in gleichem Maasse aber, so wie sie diesen näher kamen, ihre anders denkenden Eidgsgenossen sich entfremdeten. Wenn somit auf der Einen Seite die reformierten Orte (1653) eine Gesandtschaft nach England und nach den Niederlanden schickten, um diesen beyden für Pfeiler des protestantischen Europa geltenden Staaten ihre Vermittlung anzubiethen; und wenn sie (1655) der Piemontesischen Waldenser sich annahmen; während die katholischen Orte das Bündnis mit dem Hause Savoyen sowohl, als mit dem Bischof von Basel (16. Sept. 1655), als auch das sogenannte Borromäische Bündnis (3. Oct. 1655) erneuerten, so bedurfte es bey solchen Gegensätzen nur eines einzelnen Funkens, um das Feuer zu vollem Ausbruche zu bringen.

Schon seit den Zeiten der Reformation lebten zu Arth im Gebiethe von Schwyz mehrere Familien, welche zwar äusserlich alle Kirchengebräuche der Katholiken mitmachten, im Stillen aber dem reformierten Glaubensbekenntnis sich zuneigten. (Sie nannten sich Nikodemiten, weil sie ihren Glauben nur im Geheimen pflegten.) – daher auch mit Zürich in Verbindung standen. – Das 1655 verkündete Jubeljahr veranlasste, dass solches bekannt wurde, und dass, um der sie bedrohenden strengen Ahndung zu entgehen, in der Nacht vom 23. September 1655. 36. Personen aus Arth in grosser Eile auf Zürcher-Gebieth sich flüchteten. (7 Familien-väter mit Frauen und Kindern. Morgens um 4 Uhr langten sie in Cappel an; von hier aus zogen sie nach Zürich.)

Zürich nahm dieselben in Schutz, indem es ihre Bitte unterstützte, dass ihnen ihr Vermögen verabfolgt werde, jedoch ohne Erfolg; worauf solches das Eidsgenössische Recht anrief, Schwyz hingegen seine Souverainität sich vorbehielt. (Auf die Vorstellung Zürichs und anderer Stände entgegnete Schwyz, es erkenne in seinem Land keinen Herrn über sich als Gott.)

Am 21. November war zwar die Tagsatzung zusammengetreten, um, wo immer möglich, eine friedliche Ausgleichung zu versuchen; -derselben Bemühungen blieben jedoch ganz fruchtlos, so dass, unmittelbar nach ihrer Auflösung am 6. Jenner (27. Dec.) 1656, Zürich Nahmens der sechs reformierten Orte die Kriegserklärung erliess, welche als Manifest im Drucke erschien.

Inzwischen hatte man sich schon früher von beyden Seiten eifrig zum Kriege gerüstet und die Gränzen besetzt. – Der Oberbefehl über das Zürcherische Heer wurde dem Oberst Joh. Rudolf Werdmüller, und dessen Bruder dem Feldzeugmeister Hans Georg Werdmüller das Commando über die gesammte Artillerie übertragen; - zum Generallieutenant wurde ernannt: Herr Johann Jakob Ulrich und zum General-Major: Herr Thomas Werdmüller.

Am 30. October erwählte der geheime Rath einen engern Kriegsrath von 8 Mitgliedern, welcher in allen Vorfallenheiten, wo schnell sollte gehandelt werden, unbeschränkte Vollmacht hatte, das Zweckdienlichste zu verfügen; - nur, insofern er es für nothwendig erachte, sollte er solche Angelegenheiten vor den gesammten Rath bringen, überall dem General aber mit  Rath und That zur zur Hand seyn.

Vermuthlich geschah es auf dessen Verfügung, dass man das Kloster Cappel und Schloss Wädenschweil, als Stützpunkte der Gränzvertheidigung, nach Möglichkeit befestigte, besetzte und ausrüstete. Das Erstere wurde durch die Meisterhand des Herrn Feldzeugmeister [Hans Georg] Werdmüller in kurzer Zeit in eine kleine Festung umgewandelt, d.h. der Umfang des Klosters mit einer theils bastionierten, theils tenaillierten Erdverschanzung umgeben, da , wo die mit Schiesslöchern versehenen Umfassungsmauern dazu ausreichten, die Erdbrustwehr erspart, der Graben überall palissadiert, ein bereits vorhandener Teich theilweise als Wassergraben benutzt, das Ganze durch ein Glacis umgeben, und dieses auf der zugänglichsten Seite mit einem vorgelegten geschleppten Verhaue verstärkt. (…Für Schanzen-Unkosten werden…verrechnet: …worunter 170 Fruchtbäume, und etwa 150 Eichen…, welche in der Klostermatte zu Cappel umgehauen worden.)

Diese Befestigung wurde mit 8 Geschützen besetzt, nähmlich mit 4 Stück Sechspfünder (…), 2 Stück Anderthalbpfünder (…), 2 Stück Dreyviertelspfünder (…)- Für jedes Stück waren 100 Schüsse bestimmt, für die Sechspfünder zur Hälfte Kartätschen-, für die beyden kleinern Caliber alles Kugelschüsse; für die Erstere mit drittelskugelschwerer, für Letztere mit verhältnismässig stärkerer Ladung. – Ferner wurden als Kriegsbedarf nach Cappel gesandt: 3 Tonnen mit Pulver, 1 Tonne mit halblöthigen Kugeln, 200 Pfund Lunten, 25 Pfund Bley, 600 Handgranaten, 150 Sturmkrüge, 70 Hellebarden, 43 Spiesse, 220 Stück Schanzzeug.

Zu Wädenschweil wurde des Schlosses Ringmauer verbessert, auf noch andere dortige Befestigungsarbeiten nicht unbedeutende Kosten verwendet (412 fl (franz. livres)  35 Schilling für die Ringmauer, 498 fl (franz. livres)  30 Sch. für Bau- und Schanzenholz in der Herrschaft Wädenschweil), sowie auch dahin gesandt 2 Stück Vierpfünder und 2 Stück Dreyviertelspfünder, 100 Schüsse auf jedes Stück, ferner 6 Tonnen mit 300 Pfund Pulver, 300 Pfund Lunten, 100 Handgranaten, 100 Sturmkrüge, 24 Hellebarden, 174 Stück Schanzzeug u.s.w.

(… es folgen Detail-Mengen zu Pulver, Blei und Lunten nach Knonau, Eglisau, Kyburg, Bubikon …)

Bey Berathung des Kriegsplans lag es in der Absicht des Generals, dass der Feldzug mit der Einnahme eines wichtigen Punktes eröffnet, hiedurch das Eindringen in’s feindliche Gebieth gesichert, und gleichzeitig der Krieg ausserhalb die Gränzen des eigenen Landes verlegt werde. – Indem hierüber die Auswahl zwischen Baden und Rapperschweil in die Frage kam, so entschied sich der General für das Letztere, weil diese Stadt weniger fest als Baden, durch derselben Einnahme nicht nur die Verbindung mit Toggenburg, Glarus und Graubündten gesichert, sondern auch der Einmarsch in die March erleichtert werde; - jedoch unter der bestimmten Voraussetzung, dass der unmittelbare Angriff auf Rapperschweil zwar auf dem rechten Seeufer (von der Landseite her) statt finde, gleichzeitig aber auch ein zweytes Corps dem linken Seeufer nach hinaufziehe, um wo möglich des linksseitigem Ausgangs der Rapperschweilerbrücke sich zu bemächtigen, mithin der Stadt Rapperschweil die directe Verbindung mit Schwyz abzuschneiden, somit derselben Uebergabe zu beschleunigen.

Sobald daher Herr General Werdmüller für seinen auf Rapperschweil gerichteten Angriffsplan die Genehmigung erlangt hatte, so beeilte er sich, mit seinem Belagerungs-Corps sofort in’s Feld zu rücken.

Am 6. Januar 1656 ( 27. Christmonat 1655) hielt er über sein aus 7018 Mann Infanterie (in 9 Bataillon mit Total 39 Comapagnien), 326 Mann Cavallerie (in 4 Escadrons) und 19 Geschützen (…alle Geschütze namentlich inkl. Munitionsmenge bekannt…) bestehendes Armee-Corps im Kräuel die Musterung. Jedem dieser Geschütze war ein gleichnahmiger Munitionswagen zugetheilt, und denselben überdiess noch einige Mörser beygestellt, nahmentlich ein grosser neuer Steinmörser, welcher auf der Schiffstelle am Spitz bey dem Bollwerk am Kratz probiert worden war. (Mit einer ganzen Bänne Gassensteine [einem Schubkarren Pflastersteine] und 8 Pfund Pulver geladen. Sein Streuungskreis erstreckte sich fast auf die Breite einer Juchart, wie man im See gar eigentlich hat sehen können – Er soll noch 6 Gespannen nach Anzahl der 7 Planeten bekommen. … ).

Zudem wurden dem Belagerungscorps noch über 40 Wagen und Karren nachgeführt, nahmentlich: 2 Wagen mit Petarden, 2 Legelen 1 löthige Kugeln, 1 Wagen mit 22 Legelen 1½ löthige und 2 Legelen 1 löthige Kugeln, 2 Wagen, jeder mit 11 Bomben, 2 Karren, jeder mit 15 Granaten, 2 Karren, jeder mit 600 Handgranaten, 4 Karren, jeder mit 15 Legelen, zusammen mit 60 Legelen oder 3120 Pfund Pulver, 4 Wagen mit Lunten, 4 Wagen und 8 Karren mit Schanzzeug, nähmlich: 4 Wagen mit runden Schaufeln, 2 Karren mit 345 Hauen, 2 Karren mit 363 Grabschaufeln und Äxten, 2 Karren mit 459 Bickeln, 2 Karren mit 400 Gerteln. Etliche Wagen mit Musketen und Hellebarden, Etliche Wagen mit Karrensalb, Seilern, Wagengeschirr und Wagnerholz, 2 Wagen mit Schmiedzeug und Zubehörd, 4 Wagen mit Zimmergeschirr, Balken und Brückladen, 2 Wagen mit Böcken, Flaschenzügen, Hebeisen u.s.w.

Über das Personelle der gegen Rapperschweil ausgezogenen Artillerie hingegen kann hier nichts weiter berichtet werden, als dass dieselbe von Herrn General-Feldzeugmeister Hans Georg Werdmüller commandiert wurde, dass Junker David Wyss (…) und Herr Hans Jakob Holzhab (…), unter dessen Commando die Comptabilität besorgten, dass Herr Hauptmann Weriker ebenfalls dabey war, und dass (einem ganz ungefähren Überschlag zufolge) die gegen Rapperschweil in Batterie aufgeführten Geschütze von 60-70 Constaflern (eingelernten Artilleristen) bedient wurden. – Vermuthlich dauerte während des Rapperschweilerkrieges, die Geschützbedienung betreffend, noch die ältere Einrichtung fort, nach welcher die Geschützkundigen (Büchsenmeister) den einzelnen Geschützen für längere Zeit zugetheilt wurden, so dass zu jedem Geschütze nur ein, höchstens zwey eigentliche Artilleristen zu stehen kamen, welche Alles besorgten, was die Ladung und Richtung der Geschütze betraf, während sie für die bloss mechanischen Handgriffe sogenannte Stückknechte auswählten oder Infanteristen ihnen als Handlanger zugegeben wurden.

Es ist dieses um so wahrscheinlicher, als nach Beendigung des Krieges, noch im gleichen Jahr, ein Antrag zu Errichtung eines aus 400 Mann bestehenden Artillerie-Corps, in 4 Compagnien organisiert, gestellt ward.

Indem die vorerwähnte Musterung (Mobilmachung) des gesammten Belagerungs-Corps, der Jahreszeit nach, gerade in die kürzesten Tage fiel, so dauerte solche so lange, dass der Aufbruch erst gegen Abend statt finden konnte. – Es zog nun das ganze Heer sammt dem Geschütz durch die Stadt zum Oberdörfler-Thor hinaus; - während gleichzeitig, unter Herrn General-Feldzeugmeister Werdmüller’s Commando, 6 vor Anker gelegene Kriegsschiffe und 2 Proviantschiffe wohl ausgerüstet abfuhren.

Wie viele Artilleriestücke in diese Kriegsschiffe verladen worden, bleibt unbestimmt; - doch steht zu vermuthen, dass die mehreren Geschütze über Land geführt worden seyen, indem zwar am Tage nach dem Ausmarsch von Zürich (Freytags den 28. Dec. nach dem alten Calender) der grössere Theil des Belagerungsheeres vor der Stadt Rapperschweil eingetroffen war, zwischen Jonen und Schlatt campiert, und, um das Zürcherische Lager gegen einen Überfall aus dem Gaster zu decken, auch das Kloster Wurmspach besetzt hatte; - während am nähmlichen Tage Morgens um 10 Uhr die Artillerie noch bey Oetikon (Stäfa) auf dem Marsche sich befand; indem dieselbe in vorhergehender Nacht, wegen des rauhen Weges und der Schwere der Geschütze, besonders des grossen Steinmörsers, unmöglich noch weiter hätte vorrücken können; eine Entschuldigung, welche als vollgültig erscheint, wenn man unsere alten engen Seestrassen, nahmentlich die Steige bey Herrliberg und eine nur mit äusserster Anstrengung darauf fortschreitende Train-Colonne von etwa 50 Fuhrwerken sich vergegenwärtig. (Dass die Fuhrwerke nur im langsamen Schritt vorwärts rückten, darauf scheint auch der Umstand hinzuweisen, dass Herr Burgermeister Waser, welcher dem [diesen Wagenzug vermuthlich commandierenden] Herrn Hans Conrad Holzhalb begegnete, ein Stuck Wegs mit demselben zu Fuss gieng, und sich sodann wieder zu Pferd setzte, um das Lager bey Rapperschweil desto schneller zu erreichen).

Wie es kam, dass am gleichen Tage, an welchem der Auszug gegen Rapperschweil, ein zweyter gegen Rheinau und ein dritter Auszug gegen Frauenfeld statt fand; das lässt sich nur dadurch erklären, dass solches, ohne gegenseitiges Einverständnis, und ohne dass die Anführer der beyden letztern Expeditionen die Genehmigung des Ober-Generals dafür einholten, geschehen sey. – Auf jeden Fall würde es, wenn nicht andere, als bloss militärische Motive obgewaltet hätten, unerklärlich seyn, warum man nicht alle verfügbaren Streitkräfte vereinigte, um die Eroberung des wichtigsten Operationsobjectes Rapperschweil so viel möglich zu beschleunigen,  und warum man nicht zu diesem Ende hin gleichzeitig mit demjenigen längs des Rechten, einen ebenso starken Auszug längst des Linken Seeufers anordnete, um der bey Hurden angelegten Verschanzungen sich zu bemächtigen, und dieselben in einen den linkseitigen Ausgang der Rapperschweilerbrücke sicher stellenden Brückenkopf zu verwandeln.

Dass, so lange die Zürcher nicht im Besitze von Hurden sich befanden, das Gelingen einer auf dem Rechten Seeufer gegen Rapperschweil unternommenen Belagerung sehr zu bezweifeln war, wird wohl kaum widersprochen werden.

Die Stadt Rapperschweil bildete damahls einen den Uebergang vom Linken auf das Rechte Seeufer sicher stellenden Brückenkopf. – Jeder sturmfreye Brückenkopf aber kann auch gegen eine sehr ernstliche Belagerung so lange erfolgreichen Widerstand leisten, als er noch nicht ringsum eingeschlossen, d. h. so lange seine Verbindung mit dem diesseitigen Ufer noch nicht unterbrochen ist. – So lange derselbe nur in der Fronte, nicht im Rücken angreifbar, so lange kann er mit Truppen, Kriegs- und Mundvorräthen, so oft und so viel es erforderlich, unterstützt; die durch lange Anstrengung ermüdete Besatzung kann wiederholt durch frische Truppen abgelöst, und ergänzt, die demontierten Geschütze durch dienstfähige ersetzt, durch öftere Proviantzufuhren einer Aushungerung vorgebeugt werden.

Da nun, wie schon früher bemerkt, der Feldzugsplan des General Rudolf Werdmüller auf die Voraussetzung gegründet war, dass der Stadt Rapperschweil jede Unterstützung vom Linken Seeufer her abgeschnitten werden müsse, solches aber, ohne seine Schuld, nicht bewerkstelligt wurde, so darf das Misslingen der nachfolgenden Belagerung nicht auf dessen Rechnung gesetzt werden.

Dass es der bestimmte Wille und Meinung des Generals war, dass der Generalmajor auf der Wädenschweiler-seite gleichzeitig die Brücke besetze und die Verbindung der Stadt mit Schwyz dadurch abschneide, erzeigt sich aus seinem Schreiben an den Rath dat.: „2. Jan. Morgens ½4 Uhr aus dem Lager bey Rapperschweil.“ – Nachdem er auf überzeugende Weise dargethan, dass er mit seinen von Rapperschweil geführten Truppen ohne die grösste augenscheinlichste Gefahr unmöglich sich der Brücke versichern könne, sagt er: „Befinden desshalben nochmalen erforderlich und nothwendig, dass denen von Rapperschwyl zu gleicher Zeit auf beyden Seiten mit etwas Ernst zugesetzt werde, ihnen die Mittel der Zusammenlaufung und Hülfsleistung gegen einanderen zu benehmen, welches gar leichtlich und mit minderer Gefahr  unsers Volks wird beschehen können, wenn Herr Generalmajor und die Schaffhauser mit den Ihrigen auf der Wädenschweiler Seiten werden ob sich commandiert, und mir der Marsch wüssenhaft gemacht werden, um demnach die nothwendige Ordre beyderseits zu bestellen und anzuordnen: Dann zu mahlen zweiflen ich auch nit, man mit solchen Kräften etwas Guts und Nammhafts werde ausrichten mögen.“ – Es ist sehr wichtig, dass dieser Punkt als Meinung des Generals und wesentlicher Theil seines Kriegsplans ausser Zweifel gesetzt werde. – Die Unterlassung dessen muss ihn wegen des Fehlschlagens der Belagerung von Rapperschweil bey jedem Unbefangenen vollkommen rechtfertigen.

Nicht lange nach seiner Ankunft in dem Lager von Rapperschweil liess General Werdmüller die Stadt durch einen Trommelschläger zur Übergabe auffordern, welche Aufforderung das Ersuchen um eine schriftliche Erklärung zur unmittelbaren, gegenseitige mündliche Unterhandlungen zur fernern, und den Ausbruch der Feindseligkeiten zur endlichen Folge; (Auf eine nochmalige Aufforderung des Herrn General Werdmüller, Jemand zu Herrn Burgermeister Waser und Ihm mit vollem Gewalt hinauszuordnen, um die Uebergabe nochmals gütlich zu tractieren, antworten Schultheiss und Rath zu Rapperschweil, dass, weil Er sie wider Alles Versehen überzogen, das Ihrige angegriffen, sie zu überwältigen , sie resolviert seyen, Leib, Gut und Blut darzu zu setzen und nur keinem Trommelschläger mehr Gehör zu geben.) – die inzwischen bereits schon damit begonnen hatten, dass die Zürcher den Rapperschweilern die Brunnen und den durch die Stadt fliessenden Bach abgruben, die Rapperschweiler dagegen auf die (vermuthlich, um solche zu einem Verhau zu benutzen), im nahen Schussbereich Bäume fällenden Zürcher Feuer gaben.

Da es einmahl so weit gekommen war, so blieb dem Zürcherischen Heerführer nichts anders übrig, als, obschon unter ungünstigen Auspicien, eine regelmässige Belagerung.

Neben dem, dass die Stadt Rapperschweil in unserer vaterländischen Geschichte von jeher eine ehrenvolle Stelle behauptet hat, (Rapperschweil, das einst als ein Sitz des Adels zu betrachten, leistete 1337 gegen die Angriffe der Zürcher beharrlichen Widerstand , büsste 1350 auf schwere Weise seine Theilnahme an der Zürcherischen Mordnacht, vertauschte 1354 die Habsburg-Laufenburgische mit der Oestreichischen Herrschaft, bestand 1388 im Sempacherkrieg eine ungefähr drey wöchentliche Belagerung, 1443 im alten Zürcherkrieg eine heftige Beschiessung, 1444 während 31 Wochen eine enge Einschliessung, später bis zum Constanzer-Frieden (15. May) 1446, immer unbesiegt, wiederholte Angriffe der Eidsgenossen.), so darf auch in allgemeinerer Beziehung derselben insofern erwähnt werden, als schon manche grössere weit stärker besetzte und ausgerüstete Festung wohl kaum zu wiederholten Mahlen verhältnissmässig einen längeren und kräftigern Widerstand geleistet hat, als das kleine Rapperschweil.

Indem unstreitig dessen günstige Lage als weit in den Zürchersee vorspringende, nur von der Landseite her einem regelmässigen Angriffe ausgesetzte Halbinsel zu diesem günstigen Resultate wesentlich mitwirkte, so befand  sich dagegen dessen Befestigung im Jahr 1656 keineswegs in einem gegen einen wiederholten ernsthaften Geschützangriff widerstandsfähigen Zustand. (Die im Jahr 1647 von den katholischen Ständen in Vorschlag gebrachte bessere Befestigung war nicht zu Stande gekommen.)

Diese aus Thürmen und Ringmauern bestehende Befestigung war jedoch bey Herannäherung der Kriegsgefahr durch Palissadierungen und Erdwerke einigermassen verstärkt, (Die Palissadierungen fanden auf der Seeseite statt, ein geschlossenes grösseres Werk war zur Vertheidigung der Brücke erbaut und noch an einigen andern Stellen Erdwerke aufgeführt. – An der Spitze der Stadt in den See hinaus wurde, an der Stelle des nur aus Riegelwerk erbauten Thürmleins, aus auf einander gelegten Zimmerhölzern ein Blockhaus erbaut, vor dem Capuciner Kloster Pfähle und Palissaden geschlagen; - da, wo die Stadt keine eigentlichen Ringmauern hatte, die Häuser mit Grund ausgefüllt.) die Bestatzung hingegen erst nach dem Beginn der Belagerung vermehrt worden. (Anfänglich soll die Besatzung nur aus 100-150 Mann bestanden haben; - im Verfolge wurde sie aber mit 600 Mann zu Fuss und 200 Reutern vermehrt.

Als die Seele der Vertheidigung aber erscheint der wackere Commandant Wyget aus Schwyz, dessen kriegerischer Eifer sich den Bürgern mittheilte, welche er Anfangs zur Aufnahme einer Besatzung hatte zwingen müssen. Wahrscheinlich geschah es auf dessen Befehl hin, dass , schon bey dem ersten Erscheinen der Zürcher, die Trommeln gerührt, zwey hiezu in Bereitschaft stehende grosse Mörser losgebrannt, ein oben vor dem grossen Kirchthurm hangendes Feuerzeichen angezündet, die Geschütze aufgeführt, die Zugbrücke aufgezogen, die Porten verschlossen,  mit Holzwerk und Erde hinterbauet wurden.

Indessen hatten die Zürcher zwischen dem Kreuz und dem Haus zur hintern Bleiche für 4 halbe Carthaunen (Vierundzwanzig-Pfünder) und 2 Mörser („Um Mitternacht [in der Nacht vom 7. auf den 8. Jenner] bemerkte man, dass sehr schwere Fuhren von Kempraten her gegen dem Kreuz zufuhren; dann es bey dem gefrornen Erdreich fast krachte; dies waren 4 halbe Carthaunen und 2 Mörser, damit dem folgenden Morgen dem Schiessen den Anfang zu machen.“ – Vermuthlich waren es Bennfelder-Geschütze; - was umso wahrscheinlicher ist, als in der Kriegskostenrechnung für das Wiederumgiessen der Carthaune L, so vor Rapperschweil schadhaft geworden, fl. 390 verrechnet werden.) eine Batterie errichtet hinter einer Mauer, welche, um bequemer darüber wegzuschiessen, durch- und abgebrochen, und, zu besserer Beschirmung, mit angefüllten Baumwollsäcken bedeckt wurde.

Als diese Batterie Samstags den 8. Jenner (29. Dec.) Vormittags um 9 Uhr ihr Feuer begann, da traf der erste Schuss ungefähr in die Mitte, der andere in die Zeittafel des Halsthurms, der dritte fuhr in den Zeitthurm des Schlosses, der vierte und fünfte erreichten den grossen Kirchthurm, jedoch alle ohne weitern Schaden. - Später wurde das Feuer gegen die Ringmauer gerichtet, an welche Häuser angebaut, woselbst sie daher (vermuthlich wegen der Fensteröffnungen) schwächer, als an andern Stellen zu seyn schien; jedoch ohne besondere Wirkung, weil diese Mauern inwendig mit Erde verstärkt waren.

Nachmittags ward wegen der bereits bemerkten, jedoch fruchtlosen Unterhandlung, das Feuer eingestellt – nachdem aber der entschiedene Abschlag von Rapperschweil eingetroffen, dasselbe mit grosser Lebhaftigkeit wieder fortgesetzt.

In der Nacht wurden von Rapperschweil etliche junge Bürger und Besatzungsleute ausgeschickt, um die nächst vor der Stadt gelegenen, den Belagerern zur Deckung gereichenden Gebäude, Scheunen, Garten- und Lusthäuschen abzubrennen, wodurch 31 Firsten eingeäschert wurden. – Im Innern der Stadt war die Besatzung so eingetheilt, dass der eine Theil auf der Wache sich befand, während der andere in Bereitschaft stand. – Auch wurden, um allfälliger Feuersnoth zu begegnen, Gefässe mit Wasser angefüllt, aufgestellt.

Tags darauf (am 9. Januar) wollte Herr General Werdmüller den Versuch machen, ob es (nachdem, wie schon früher bemerkt, die gewünschte grössere Offensiv-Unternehmung auf dem linken Seeufer, gegen seinen Willen unterblieben war) ihm nicht gelingen könnte, die Schanzen auf dem Hurderfelde einzunehmen, und sodann die Raperschweilerbrücke zu zerstören, um hiedurch den Rapperschweilern die Unterstützung an Mannschaft, Zufuhr von Kriegs- und Mundvorrath abzuschneiden. – Zu diesem Ende hin wurden 600 Mann nebst etwas Artillerie auf dem Paradeplatz versammelt, und fuhren dann in 4 Schiffen, unter Herrn Generals persönlicher Anführung über den See, landeten zuerst auf der Insel Uffnau, sodann bey Pfäffikon, woselbst sie zwar, wegen eines obwaltenden dichten Nebels, anfänglich nicht bemerkt, so wie sie aber weiter vorrückten, aus dem dortigen Schlosse auf sie gefeuert, einige verwundet, 2 getödtet, und hierdurch gleichzeitig alle in der Nähe stehenden feindlichen Posten allarmiert wurden, so dass der General auf sein Vorhaben verzichten musste, daher er sich wieder einschiffte, in der Uffnau 100 Mann als Besatzung zurückliess, und 3 Compagnien nach Richtenschweil detachierte, um die dortige Gegend vor einem Einfall zu bewahren; - später wurde jedoch das in die Uffnau verlegte Detachement wieder zurückberufen, weil dasselbe bey dem in Aussicht stehenden Zufrieren des Sees leicht hätte abgeschnitten werden können.

Anfänglich scheint es im Zürcherischen Lager an Proviant gemangelt zu haben, indem der vorhandene noch überdiess durch besonders hiezu commandierte Mannschaft zu Oetikon abgeholt werden musste. - Diesem Mangel wurde jedoch durch die unermüdete Anstrengung und die klugen Anstalten des Herrn Generals so gut abgeholfen, dass hinfüro Alles im Lager überflüssig vorhanden war. (Das Brot-Magazin wurde in den Speicher des Seuchenhauses verlegt, und in dem Vorschopf war der obrigkeitliche Wein gar in geringem Preis ausgeschenkt, und, neben dem Commiss jedem Soldaten wöchentlich 1 Pfund Geld an den Sold gegeben). - Und da wegen des immer steigenden Winterfrostes an ein Zeltenlager nicht zu denken, so bestand dasselbe aus wohl eingerichteten Lagerhütten (Baracken); indem jeder Brigade ihre besondere Stelle angewiesen wurde. (Die Herren Burgermeister beschreiben „Es befanden sich in diesem Lager einige hundert Lager- und Wachthütten aufgerichtet, aus abgetragenen Häusern und Scheunen aufgebaut, deren Mehrteil mit Brettern, nur einige wenige mit Ziegeln bedeckt waren“.)

Wegen fortdauernder grosser Kälte war der See oberhalb der Brücke nunmehr überall, unterhalb bis gegen Männedorf mit Eis bedeckt, daher die Rapperschweiler, um den Belagerern den Zugang zu verwehren, täglich, von der Brücke her bis beynahe an das Capucinerkloster hin, durch Aufhauen des Eises einen ziemlich breiten Graben eröffneten; - um aber für sich selbst den Pass offen zu behalten, von Rapperschweil bis gegen Hurden zu das Eis ebenfalls täglich wieder aufbrachen, mithin, neben dem Pass über die Brücke, auch den See für die nothwendige Zufuhr offen behielten. – Um die gleiche Zeit wurde die Besatzung von Rapperschweil so weit verstärkt, dass sie nunmehr in 3 Rotten abgetheilt werden konnte, von denen die erste auf die Wache kam, die zweyte auf’s Piquet (auf die Beywache), während die dritte ausruhte.

Als Gegensatz der Landung bey Pfäffikon griffen Mittwochs den 12. (2.) Januar 1656 die Schwyzer die Zürcherischen Vorposten bey Richtenschweil an, wobey auf beyden Seiten Einige verwundet und getödtet wurden. (Worunter auf Zürcherischer Seite getödtet: Herr Hauptmann Hofmeister, ein tapferer junger Mann, Jakob Zundel und Strickler von Wädenschweil; - mit einem Schwertstreich verwundet: Herr Lieutnant Körner. – Sobald Herr General von diesem Scharmützel Nachricht bekommen, ist er nach Wädenschweil gefahren, und hat daselbst verschiedene Defensional-Anstalten gemacht.)

Freytags den 14. (4.) Januar unternahmen die Belagerten einen Ausfall auf die Zürcherischen Wachtposten, welchen sie zwar mit Geschütz und Doppelhacken unterstützten, jedoch mit einigem Verlust, wiederum nach der Stadt sich zurückziehen mussten.

Vermuthlich war die Erfolglosigkeit dieses (nur mit 100 Mann unternommenen) kleinern Ausfalles die Veranlassung, dass von dem im Schlosse Pfäffikon versammelten Kriegsrathe der drey Länder eine grössere Kriegsunternehmung berathen und beschlossen ward, in der Meinung, dass ein zahlreicher Ausfall von Rapperschweil aus durch einen noch stärkern Angriff von Utznach her unterstützt werden sollte.

In Folge dessen wurde Sonntags den 6. (16.) Januar, eine Stunde vor Tagesanbruch, das von den Zürchern besetzte Kloster Wurmspach von einer 1500-2000 Mann starken Colonne angegriffen, in der Absicht dessen Besatzung aufzuheben, sodann weiter gegen das Zürcherische Lager vorzurücken, und gemeinschaftlich mit den Rapperschweilern dasselbe zu bedrohen. – Obschon sie aber, um im Schnee weniger erkannt zu werden, weisse Hemder über die Rüstung angezogen hatten, so leistete ihnen nicht desto weniger der dortige Commandant Junker Hauptmann Friedrich Edlibach (geb. 1623, war, um dem Rufe des Vaterlandes zu entsprechen, aus Schwedischem Dienst getreten; - ward 1658 Hauptmann im Dienste der Republick Venedig im Dalmatien, wurde Mitglied des Grossen Rathes, 1674 Amtmann zu Rüti und 1688 Constafelherr, starb aber noch im gleichen Jahr.) mit seiner (nur aus 171 Mann bestehenden) Compagnie so tapfern Widerstand, dass die Angreifenden mit bedeutendem Verluste zurückweichen mussten, wogegen von seiner Mannschaft kein Einziger beschädigt wurde, indem er dieselbe so geschickt aufzustellen wusste, dass sie durch die Klostermauern gedeckt war, nichts desto weniger aber durch ihr eigenes Feuer dem Feinde zusetzen konnte.

Inzwischen hatten auch die Rapperschweiler mit 700 Mann einen Ausfall gemacht, und die Zürcherischen Vorposten bis gegen Kempraten zurückgetrieben. – Das Gefecht dauerte beynahe 1½ Stunden, indem von beyden Seiten sehr hitzig gefochten wurde. – Als aber die Zürcher aus 2 Feldstücken ein Cartätschenfeuer eröffneten, so zogen sich die Gegner wiederum nach der Stadt zurück.

Nachdem somit dieser Versuch, durch einen Angriff von Utznach her, in Verbindung mit dem bemeldten Ausfall, den Entsatz herbeyzuführen, misslungen war, so wurde nunmehr für gut befunden, durch vermehrte Defensivanstalten die Fortschritte der Belagerer zu verzögern, und zu diesem Endzweck zu besserer Bedeckung der Brücke, bey dem Hornthor eine neue Schanze aufzuführen, welche mittelst unausgesetzter Arbeit, in wenigen Tagen vollendet, und (zur Sicherung gegen die Erstürmung) palissadiert wurde; wobey man die Vorsicht gebrauchte, bey mit Schnee bedecktem Boden, während der Arbeit weisse Tücher vorzuhängen, um solche hiedurch dem Anblick der Belagerer zu entziehen.

Inzwischen übersandten die Schirmorte den Rapperschweilern auf Schiffen, von Hurden aus, 3 Feldstücke (Anderthalbpfünder) mit erforderlichem Schiessbedarf und zu gleicher Zeit, unter dem Commando des Herrn Obrist Crivelli (vermutl. Sebastian Heinrich Crivelli von Uri, früher Hauptmann in Königl. Spanischen Diensten unter dem Regiment Lussi, 1636 Gesandter in die Ennetbirgischen Vogteyen, 1645 Obrist über ein Eidsgenössisches Regiment in Spanischen Diensten, 1651 von den mit Spanien verbündeten Eidsgenössischen Städten und Orten an König Philipp IV. von Spanien abgesandt; er war auch Burger zu Lucern und Rapperschweil, starb 1664 zu Bellenz) 200 in Mailand angeworbene erfahrne Spanische Soldaten; - sowie sie auch etliche vorsichtige und wohl begründete Schanzmeister (Ingenieure) dahin beorderten, von welchen an verschiedenen Orten vortheilhafte Vorwehren und Schanzwerke aufgeführt wurden, unter anderem, ungefähr einen Musketenschuss weit ausserhalb der Stadt, ein Blockhaus zu Beschirmung der Brücke.

Indem die Belagerten es somit an mehrseitigen Vertheidigungsanstalten nicht fehlen liessen, so machten, ihnen gegenüber, auch die Belagerer zu Beförderung des Angriffs grosse Anstrengungen. – Neben dem, dass am 19. (9.) Januar ihre Artillerie  mit 2 halben und 2 Viertels-Feldschlangen (2 Achtpfündern und 2 Vierpfündern) sich vermehrte, welche von Zürich her anlangten, wurden in der Nacht vom 20. (10.) auf den 21. (11). Januar die Laufgräben eröffnet, nachdem Tags zuvor 50 Mann mit Gerteln (Faschinenmessern) in den Wald geschickt worden, um Faschinen zu machen.

Freytags den 21. (11.) Januar wurde die grosse viereckige Redoute um die Spitalerscheune vollendet, obschon die Belagerten fortwährend ihr Feuer darauf richteten.

Es befand sich diese Redoute nur in der Entfernung eines halben Musketenschusses von Rapperschweil. – Man gelangte zu derselben durch einen breiten Laufgraben, so dass man unvermerkt aus dem Lager dahin kommen konnte. – Die Belagerer benutzten die Überreste der nahe an der Stadt gelegenen abgebrannten Scheunen, indem sie das von der Einäscherung übergebliebene Gemäuer mit Grund ausfüllten, die Strassen aber überall mit Baumästen verlegten, um die Ausfälle zu erschweren.

In der Nacht vom 21. – 22. (11.-12.) Januar wurde die Anlage einer grossen Batterie bey der Böllenmühle begonnen und an den Laufgräben  wacker gearbeitet, obwohl der Boden wegen grosser Kälte hart gefroren, desswegen die Arbeit sehr schwer war, und nur langsam fortschreiten konnte.

Auch an den darauf folgenden Tagen wurden die Laufgräben, Redouten und Batterien mit grossem Eifer fortgesetzt, und zu diesem Ende hin alle Abende 600 Mann zur Schanzarbeit, 1500 Mann auf die Wache und zur Ablösung der Arbeiter commandiert; - dabey auch die Arbeiter mit guten Blendungen von Wollsäcken gegen das Feuer der Belagerten gesichert.

Nachdem, in Folge dieser Arbeiten, das Feuer der Zürcherischen Artillerie einige Zeit inne gehalten, so wurde dassselbe am 24. (14.) Januar desto lebhafter wieder erneuert, indem man die Stadt  Rapperschweil nicht allein aus 4 Nothschlangen (Sechzehnpfündern) beschoss, sondern auch aus Mörsern und Steinmörsern mit Bomben und Steinen von bedeutendem Gewichte bewarf, und, als in der darauf folgenden Nacht eine neue Batterie vollendet war, mit 5 halben Carthaunen (Vierundzwanzig-Pfündern) dem Halsturm und dem Halsthor so anhaltend und unausgesetzt zusetzte, dass derselbe ganz durchlöchert und durchsichtig ward, während gleichzeitig Kieselsteine in ungeheurer Zahl, gleich schwarzen Raben, mit Feuerkugeln (Bomben) untermischt, über die Stadt hinflogen, ohne jedoch einen bedeutenden Schaden anzurichten.

Auch Dienstags den 25. (15.) Januar wurde das Feuer lebhaft fortgesetzt, und auf das neben dem Halsthurm stehende Haus zum Sternen gerichtet, so dass benanntes Haus bis auf den Abend  durch 116 Schüsse beynahe durchlöchert, durch wiederholte Bewerfung mit Granaten und Kieselsteinen die Dächer hin und wieder zerschlagen und durchsichtig gemacht, jedoch kein einziger Mensch verletzt worden.

Sowie aber öfters ganz unerwartet der Dunkelheit das Licht folgt; so traf auch hier beynahe gleichzeitig mit dieser schrecklichen Beschiessung und Bewerfung die für die Rapperschweiler sehr erfreuliche Bothschaft ein von dem denkwürdigen Siege, welchen die Lucerner am 24. (14.) Januar 1656 über die Bernische Kriegsmacht unter General von Erlach bey Vilmergen erfochten, welcher, mittelst Überwältigung des Passes bey Mellingen, die Verbindung mit Zürich herzustellen, beabsichtigt hatte.

Die Reihe zum Schiessen kam nunmehr an die Rapperschweiler, welche, nach Absingung des: „Te Deum laudamus,“ aus klein und grossem Gewehr eine Freudensalve gegeben; - wie leicht zu erachten, keineswegs zum Vergnügen der Zürcher, (Vielleicht geschah es um diese Zeit, dass es dem Hauptmann Weriker gelang, von der in der Redoute errichteten Batterie 2 Mann ab der Brücke hinwegzuschiessen.) die nichts desto weniger ihre Belagerungsarbeiten eifrig fortsetzten, indem solche mit ihren beyden Enden an den See sich anlehnten, vermuthlich in Form einer Rapperschweil von der Landseite her einschliessenden Parallele, welche durch Redouten und Batterien flankiert war. (Zufolge eines von HHerrn Spitalpfleger Ziegler dem Verfasser gütigst überlassenen [1667 bearbeiteten] perspectivischen Planes, nach welchem die gegen Rapperschweil gerichtete Zürcherische Verschanzung mit einer Contravallationslinie zu vergleichen, in der die Batterien in den Bollwerken und auf der Courtine aufgestellt sind.)

Freytags den 28. (18.) Januar begann die mit 5 halben Carthauen (Vierungzwanzig-Pfündern) und einem Steinmörser besetzte Batterie bey der Böllenmühle um 10 Uhr Vormittags ein sehr lebhaftes Feuer, indem sie bis um Mittag 12 Slaven, und Nachmittags bis gegen Abend 8 Salven gab; - so dass, neben wiederholten Würfen aus dem Steinmörser, über 100 Schüsse fielen, welche den Halsthurm noch mehr durchlöcherten, das Halsthor und den obern Theil des Wirtshauses zum Sternen, so wie des sogenannten dicken Thurmes zerstörten, sammt dem Schulhaus, aus welchem mit Doppelhaken gewaltige Gegenwehr geschehen war.

Diese am 28. Januar 1656 statt gefundene Beschiessung hat der Künstler auf dem vorliegenden höchst interessanten Bilde dargestellt, welches, neben seinem hohen künstlerischen, auch dadurch einen ganz besonderen historischen Werth erhält, als die ganze Situation auf einen in jüngster Zeit von demselben Ort und Stelle, (von der noch bestehenden Böllermühle aus) aufgenommenen Prospect sich gründet, unter gleichzeitiger Benutzung aller dahin einschlagenden älteren und neueren Hilfsquellen.

Auf dem Mittelgrunde dieses Bildes erblickt man (zum grössten Theil) die benannte Batterie, in welcher 3 halbe Carthaunen und der Steinmörser gerade in Action sich befinden: Die erste Carthaune rechts auf dem Punkte losgebrannt zu werden, die zweyte, wie sie gerichtet, die dritte, wie sie in die Schiessscharte gebracht wird. - Der durch eine (aus Schanzkörben bestehende, mit einer Lage Faschinen bedeckte) Traverse von den Canonen abgesonderte Steinmörser wird, mittels eines Senkels und auf der Brustwehr aufgepflanztem Fisches, nach dem Ziel gerichtet. - Die Batterie ist inwendig mit Faschinen bekleidet; - die Geschütze stehen auf Bettungen.

Dieser Batterie gegenüber sieht man einen Theil der Stadt Rapperschweil, von wo aus das Feuer der Zürcher lebhaft erwiedert wird: Rechter Hand das Halsthor, hinter demselben das noch bestehende Wirthshaus zum Sternen, daneben der mit einer Zeittafel versehene Halsthurm, sodann die die Ringmauer bildenden Häuser, und zu äusserst (links) ein im Feuern begriffenes Erdwerk. Im Vordergrunde (zu äusserst links) steht in voller Rüstung Herr General Rudolf Werdmüller, (nach Portrait) neben ihm einige Officiere im Gespräche, hinter ihm sein Diener mit dem Pferd. Bey der Batterie stehen zwey Schildwachen, die eine mit Spiess, die andere mit Hellebarde bewaffnet, beyde in Helm und Kürass gekleidet. Zwey Soldaten sind beschäftigt, einen schwer verwundeten Cameraden fortzutragen, und ein dritter, Munition aus dem Munitionsmagazin herbeyzuschaffen. Der im Vordergrund stehende entblätterte Baum und die mit Schnee bedeckten Dächer erinnern daran, dass es Winter ist.

Das Ganze gibt ein ebenso getreues, als belebtes Bild aus jener mehrseitig so merkwürdigen Belagerung.

Während nun in den darauf folgenden Tagen die Laufgräben der Stadt immer näher rückten, und nachdem die Belagerungsartillerie noch mit 2 halben Carthauen verstärkt worden war, so begann dieselbe Mittwochs den 2. Februar (23. Januar) von 2 Batterien, aus 7 Vierundzwanzigpfündern, eine sehr ernstliche Canonade, welche von 10 Uhr Vormittags bis 6 Uhr Abends fortdauernd (im Ganzen 126 Schüsse) das Wirtshaus zum Sternen sammt den anstossenden Häusern, nahmentlich das Eckhaus zur Linden gänzlich zerstörte, die Galerien an den Zwinghöfen (vorliegenden niedrigern Ringmauern) und über dem äussern Thor niederschoss, und dadurch die Besatzung zwang, sich daraus zurückzuziehen; - was solche indess nicht hinderte, dass sie zur Nachtzeit wiederkehrte, um die Sturmlücke, so gut möglich, wieder aufzufüllen.

Donnstags den 3. Februar (24. Januar) wurde das Brescheschiessen schon mit Tagesanbruch aus bemeldten 7 Mauerbrechern wieder begonnen, und bis um Mittag so eifrig fortgesetzt, dass (mit Inbegriff der Bomben- und Steinwürfe) 119 Schüsse geschahen, wodurch nicht nur die stattgefundenen Ausbesserungen wieder zerstört, sondern die Bresche (Sturmlücke) überdiess noch bedeutend erweitert wurde.

In Folge dessen war jetzt die Stunde erschienen, welche über Rapperschweils Schicksal entscheiden sollte. – Herr General Werdmüller stellte von Jonen bis an den Kempratner Winkel, dem Berg nach, seine ganze Armee 3 Mann hoch, die Fahnen zuvorderst, in Schlachtordnung auf, und hob sodann aus allen Brigaden 300 tapfere junge Männer aus, um die Bresche zu erstürmen, welche Er noch vorher durch 2 Soldaten  recognoscieren liess.

Inzwischen waren die Belagerten, sobald sie die Zurüstungen zum Sturm bemerkt hatten, ebenfalls nicht müssig geblieben. – Die jungen Kinder und unstreitbaren Frauen wurden zum Gebeth in die Kirche verordnet; und dabey auch zur äussern Abwehr des Sturms nicht versäumt.

Zu diesem Endzweck wurden aus in’s Gevierte gezimmerten Balken von einer Hausecke zur andern hohe Abschnitte aufgeführt, (Vom Sternenegg bis an das Weisse Kreuz. – Vermuthlich waren diese Abschnitte so eingerichtet, dass sie auswendig an den stehen gebliebenen Theil der Ringmauer, inwendig an die rückwärts stehenden Häuser sich anlehnten; wodurch der doppelte Vortheil erzielt, dass sie dem Anblick der Belagerer entzogen wurden, und dagegen die durch die Bresche eindringenden Angreifer von der Seite er beschiessen konnten.) und zwar mit solchem Eifer, dass die Arbeiter selbst durch eine Stückkugel sich nicht abwendig machen liessen, welche, ohne jedoch Jemanden zu beschädigen, ihnen den obersten Balken aus den Händen schlug.

Inzwischen wurde am Mittag die zur Erstürmung der Bresche bestimmte Avantgarde in die Laufgräben geführt, und um 1 Uhr Nachmittags im ganzen Lager Allarm geschlagen, worauf die zum Sturm commandierten 300 Mann (mit Äxten und Beilen versehene Arbeiter an ihrer Spitze ) muthvoll der Bresche zueilten. – So wie sie aber durch die Sturmlücke bis in’s Innere eingedrungen waren, und weiter vorrücken wollten, wurden sie, von verschiedenen Seiten her, von den Belagerten so heftig beschossen, und mit Handgranaten beworfen, dass, nachdem sie 1½ Stunden lang tapfer gefochten, sie zuletzt übermannt wurden, und mit Verlust von 18 Todten und 30-40 Verwundeten, sich zurückziehen mussten, (…Herr General Werdmüller berichtet in einem Schreiben an MGHHerren, dass die Seinigen allbreits in der Stadt gewesen seyen, dass sie aber die Thüren an dem Sternen, wegen starker innwendiger Verbarrikadierung, {obwohl von den Zimmerleuten schon ein Loch eingehauen} nicht haben eröffnen, noch viel weniger über den Abschnitt, der Höhe wegen, weitern Progress in die Stadt haben thun können. – Da nun die Fenster überall mit Soldaten {die sich in der Gasse nicht haben blicken lassen} wohl besetzt waren, welche von da aus mit anhaltendem Steinwerfen, Handgranaten und Schiessen nicht geringe Gegenwehr thaten, so habe Er die Stürmenden, um mehrern Schaden zu vermeiden, zurückberufen lassen. – Während des Sturmes haben die Belagerten auf allen Defensen mit den Stucken gespielt, auch mit allen Glocken gestürmt, worauf der Sturm durch die ganze March, Utznach und Gaster auch ergangen.), um so eher, als, in Folge des Sturmläutens, die Belagerten noch während des Kampfes, aus der March und aus den Höfen einen bedeutenden Zuzug erhalten hatten.

Dass Herr General Werdmüller, dieses erfolglosen Sturmes ungeachtet, in seinen Offensiv- und Defensivanstalten nicht ermüdete, geht daraus hervor, dass er (zur Verstärkung der bereits im Dienste stehenden, dass solche nicht allein alle Arbeit und Gefahr zu bestehen hätten) eine Anzahl Zimmerleute verlangte, je mehr desto besser, damit zur Sicherung der Landesgränzen, überall wo es nöthig sey, Verhaue gemacht werden können; (Er verlangte, dass alle in der Stadt befindlichen Zimmerleute beordert werden, unfehlbar am folgenden Tage im Lager einzutreffen.) – dass Er einige Wagen mit Schanzzeug von Zürich her kommen; - dass Er in Schlatt bey Feldbach neue Werke errichten, und die Beschiessung der belagerten Stadt, wenn auch in unvermindertem Grade, fortdauern liess.

Dagegen bemühten sich die Belagerten, einer Erneuerung des Sturmes so gut möglich zu begegnen, indem sie Erdwerke vor den Stadtmauern, sowie auch eine Schanze mit Wassergraben und Palissadierung zur Erhaltung der Brücken erbauten.

Freytags den 11. (1.) Februar marschierte Herr General Werdmüller mit 2300 Musketieren, 200 Reutern und 4 Feldstücken Morgens um 5 Uhr nach dem Gaster. – Als aber die Nachricht einlief, dass die Gegner in die Herrschaft Wädenschweil eingebrochen, und die Zürcherischen Gränzwachen angegriffen haben, so rückte er im Gaster nicht weiter vor, sondern begab sich eilends nieder in’s Lager zurück, und passierte mit 1000 Mann so schnell als möglich den See, um den Nothleidenden Unterstützung zu bringen, die um so dringender war, als die Zürcherischen Vorposten auf dem Linke Seeufer längs der ganzen Linie gleichzeitig sich bedroht sahen.

So wie bey Richtenschweil, so fanden auch bey Horgen und im Hirzel Angriffe statt; (Herr Hauptmann Lochmann berichtet, dass, als er von 2 Reutern die Nachricht von dem feindlichen Einfall auf der Bellen vernommen, auch dass ein Corps stark gegen ihn avancierte, er sich mit seinen Compagnien auf die Anhöhen begeben, um sich in vortheilhaftere Positur zu setzen; - da er nun gesehen, dass sich das feindliche Corps zertheilte, ihn zu umringen, so habe er, als solches gegen ihn vorgerückt, seine 2 Feldstücklein auf dasselbe losgebrannt, und sich von einer Anhöhe zur anderen zurückgezogen, sey aber immer verfolgt worden bis in den Forst, wo er dann  über Nacht mit seiner Compagnie gehalten. – Der Feind habe sich bis an die Hochwacht am Berg {Zimmerberg} zurückbegeben; - er sey aber gesinnet, ihm Morgens mit seiner und noch 50 Mann von Herrn Zimmermanns Compagnie entgegen zu marschieren. – Nach einem andern Bericht hatte der Feind den Hirzel eingenommen und das Schänzlein daselbst besetzt. – Der Glockensturm ergehe zu Horgen, und man fordere alle dienstfähige Mannschaft zur Gegenwehr auf.) und sehr wahrscheinlich hätte der Feind noch weitere Fortschritte gemacht, wenn es nicht dem Herrn General gelungen wäre, in (die Nacht hindurch dauerndem) ernstem und tapferm Kampfe, den (im Ganzen 4000 Mann starken) Feind ab dem Zürcherboden wieder zu vertreiben.

Dieser glücklich zurückgewiesene Angriff war das letzte wichtigere Ereigniss des Rapperschweilerkriegs, indem solchem unmittelbar ein Waffenstillstand, (Der Waffenstillstand hätte eigentlich schon am 12. {2.} Februar beginnen sollen; - jedoch dauerten kleinere Feindseligkeiten noch etwas länger fort) und später der Friedensschluss folgte. (Am 7. Merz {26. Hornung} 1656.)

Samstags den 11. (1.) Merz liess Herr General Rudolf Werdmüller durch seinen Bruder Herrn Feldzeugmeister alles Kriegsvolk vor der Stadt Rapperschweil in einer schönen Schlachtordnung aufstellen; - ritt sodann von einer Brigade zur andern, und dankete ihnen freundlich ab; - worauf man in Gottes Nahmen abgezogen; - indem unter Junker Obrist Reinhard 4 Fahnen bis nach Küsnacht marschierten, die übrigen in die Dörfer, dem See entlang, einquartiert wurden.

Morgen dess, am 12. (2.) Merz geschah der Aufbruch um 8 Uhr; - um 11 Uhr Vormittags war Zürich erreicht. Das gesammte Truppencorps zog durch die Stadt und über die Sihlbrücke nach dem Kräuel, ward alldort in Schlachtordnung aufgestellt, gab eine doppelte Salve (aus 26 Geschützen und von allen Musketieren), wurde nunmehr abgedankt, auf die Zünfte und Wirtshäuser verlegt, und an dem darauf folgenden Tage freundlich nach Hause entlassen.

Da der Zweck dieser Blätter es nicht gestattet, in ausführlichere Bemerkungen über die vorliegende Belagerung (von welcher der Rapperschweilerkrieg seinen Nahmen empfangen hat) einzutreten, so muss der Verfasser darauf sich beschränken, anzudeuten, dass nur derjenige, welcher sich die Mühe nimmt, den Zusammenhang jeder einzelnen Kriegsunternehmung mit den damahligen politischen und militairischen Conjuncturen im Allgemeinen näher zu ergründen, dadurch sich in den Stand setzt, das Benehmen des Zürcherischen Heerführers richtig zu beurtheilen.

Dass derselbe Rapperschweil nicht eroberte, darf ihm billiger Weise schon desswegen nicht zum Vorwurfe gemacht werden, einerseits, weil er keine unumschränkte Vollmacht empfangen hatte, anderseits, weil der Waffenstillstand, und nicht der Feind der Belagerung ein Ziel setzte; - welche Belagerung, mitten im harten Winter bis zum Sturm auf die Bresche durchgeführt, eher zur Bewunderung, als zum Tadel veranlassen könnte. Dabey ist es aber, auch im Allgemeinen nicht zu übersehen, dass ein kriegserfahrner Officier, welcher in regelmässigem Kriege, als Anführer und als Soldat, die ernste Feuerprobe schon längstens bestanden hat, keineswegs darum zu beneiden ist, wenn er zum Commando einer Milizarmee berufen wird, deren Bestandtheile öfters so ungleichartig, deren mehrseitige Influencierung bisweilen so übelwollend, dass auch dessen trefflichsten Plane und Anordnungen dadurch vereitelt; - in welchem Falle die Schuld des Misslingens gewöhnlich dem Feldherrn alleinzugeschrieben wird, zumahl alsdann auch der Unkundige zu dessen schonungsloser Beurtheilung sich berufen wähnt.

Obgleich, wie schon früher bemerkt, neben dem Zuge gegen Rapperschweil, auch noch andere Auszüge statt gefunden hatten, so kommen diese mit jenem in so fern in keine Vergleichung, als nirgends ein so ausdauernder Widerstand geleistet wurde. – Die Rheinauer versuchten sich zwar sich zu vertheidigen, mussten aber unterliegen, als ihre Thore petardiert wurden. (Als bemerkenswerthe Anwendung der Petarde.) – Ebenso erfolglos war der Widerstand zu Kaiserstuhl; (Herr General-Major Thomas Werdmüller rückte  mit 3 Compagnien zu Fuss, und 2 Compagnien zu Pferd vor Kaiserstuhl, und forderte solches zur Uebergabe auf, musste aber, da er des schweren Geschützes gänzlich ermangelte, mit dem Verluste von 3 Todten und mehreren Verwundeten sich wieder zurückziehen. – Nachdem er jedoch noch 2 Compagnien herbeygezogen und, mit 4 kleinen Feldstücken versehen, auf’s Neue heranrückte, so erfolgte die Uebergabe.) – Klingnau ergab sich gutwillig; - ebenso die Stadt Frauenfeld. (…) Gegen der Stadt Bremgarten wurde bey Oberweil im Kelleramt ein verschanztes Lager angeordnet, und mit 1800 Mann zu Pferd und zu Fuss besetzt unter dem Commando des Herrn Major Hans Heinrich Bürkli. (Dieses auf einer bewaldeten Anhöhe unweit Bremgarten angelegte, aus Feldhütten [Baracken] bestehende Lager war von einer aus über einander gelegten Baumstämmen bestehenden, mit Schiesslöchern versehenen zur Flankirung eingerichteten, ungefähr 300 Klafter im Umfang haltenden, theilweise mit einem Verhaue umgebenen hölzernen Brustwehr eingeschlossen. – Bremgarten befand sich als linkseitiger Brückenkopf der Reusslinie verschanzt, d.h., um von da aus, nach Gutbefinden, einen Angriff auf das auf dem Rechten Ufer der Reuss gelegene Land unternehmen zu können. – Um einen solchen Angriff zu begegnen, war das benannte verschanzte Lager bey Oberweil bestimmt.)

Abgesehen von dem vaterländischen Standpunkt, gewährt der Rapperschweilerkrieg in rein militairischer Beziehung ein ganz besonderes Interesse, weil auf beyden Seiten für den sehr bedeutenden Kriegsbedarf nichts gespart; - sondern im Gegentheil, um das erwünschte Ziel zu erreichen, die grösst möglichen Kraftanstrengungen gemacht wurden, vielleicht am allermeisten von Zürcherischer Seite. (In Zeit dieses währenden Krieges sollen die Eidsgenossen allerseits 61000 Mann auf den Beinen gehabt haben und über denselben täglich 26000 fl (franz. livres)  Kriegskosten ergangen seyn…Dass es damahls überhaupt eine andere Zeit war, als jetzt, ergiebt sich schon daraus, dass, sowie man jetzt nicht genug Communicationen eröffnen kann, man damahls nicht genug Zugänge verschliessen konnte. – So wurden damahls von den Zürchern, noch neben der Arbeiten vor Rapperschweil, zu Cappel, Wädenschweil, Rüti, Barenberg, Bubikon, Schlatt, am Schwesterrain, zu Wald, an der Sihlbrugg und zu Oberweil, von den fünf Orten, zu Rapperschweil, Eschenbach, Utznach, Altendorf, auf dem Hurderfeld, an der Schindellege, zu Bremgarten, Mellingen, Baden u.s.w. Verschanzungen angelegt. – Unter den Zürcherischen Verschanzungen verdient diejenige in Rüti in so fern noch besonderer Erwähnung, als dieselbe [auf ähnliche Weise wie zu Cappel], unter trefflicher Benutzung der vorhandenen Gebäude und des Terrains, zur Flankenvertheidigung eingerichtet und mit einem geschleppten Verhaue umgeben war.)


 

Die Details  der „vortrefflichen Kriegskostenberechnung des HHerrn Burgermeisters Johann Heinrich Waser…in dem Zeitraum von 9 Wochen und 3 Tagen (vom 27. Dec. 1655 – 2. Merz 1656)“ haben wir nicht abgeschrieben, hier nur einige grobe Summen:
Besoldung                                                                          121‘582 (fl (franz. livres) )
Allerley (inkl. Schanzmaterial, Schuhe, ..)                      29‘243
Auslagen des Zeugamts                                                    16‘878
…wovon:
   232 Centner Pulver                                                                6‘970
  348 Centner Lunten                                                                3‘482
  129 Centner Bley                                                                     1‘937
  Hellebarden, Seiler, Wagner,S chanzzeug…                          2‘700
  Musketen, Bandelierungen, Trommeln..                               3‘000
für die Kriegsschiffe                                                             1‘301
in den Landvogteien und Ämtern                                      2‘649
Roggen,Bohnen,Hafer, Wein…                                        42‘000
Einquartierungen                                                                                  1‘047
Kriegsgefangene                                                                      230
                                                                                                    
Total                                                                                    236‘698
ohne die:
Entschädigungsbegehren für Kriegsschäden                              177‘371