Unbekannte Verdienste Zürichs um die moderne Vermessungstechnik (NZZ)

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Winkelmessgerät (Graphometer) mit Bussole auf Support.
Das Vermessungsinstrument ist mit einem, die Orientierung im Gelände ermöglichenden, Kompass ausgerüstet. Es gehörte General Johann Rudolf Werdmüller. Graphometer, 17.Jh., Hersteller unbekannt, Messing graviert. Aus der Dauerausstellung des Landesmuseums Zürich

Pendelrichtquadrant (Landesmuseum)

Die Anwendung des Instruments wird in den Darstellungen auf dem Objekt vorgeführt.
LM-3600,  Belagerungsszene. Mit Bussole und gravierten Winkelflächen, Enden der Senkel als Eidechsen. Etui aus Leder. Masse: Höhe 19.9 cm, Breite 23.3... 

Zur Bedeutung der Kartographie in Zürich

Die antike Mathematik lebt mit der Aufklärung im 15./16. Jh. wieder auf. Die Trigonometrie feiert eine Blüte im Nutzen der Feldmesskunst, Bauwesen, Befestigungskunst und Artillerie. Auf Schrittzähler, Messräder und Messwagen folgt die Entwicklung zahlreicher handlicher Instrumente, z.B. der 1577 von Nicolaus Stupa (Basel) entwickelte Quadrant, der 1596 in Holland verbessert wird, aber noch komplizierte Tabellen für die Distanzbestimmung braucht. 1600 konstruieren zwei Zürcher, der Steinmetzmeister Philippe Eberhard und der Goldschmied Leonhard Zubler, den ersten Telemeter, auf dem der spätere Theodolit basiert. Tabellen und Rechnen erübrigen sich. Auf zwei Kupferstichen entsteht die Anleitung zur Triangulation, und anschliessend entwickelt Zubler ein Instrument zur astronomischen Messung. 1607 entsteht eine Zeichnungsanleitung für "Stätt, Gärten, Weiler und Landschaften", die erstmals einen Messtisch beschreibt. 1608 entwickelt Zubler für die Artillerie ein Universalinstrument in der Form eines Zirkels, der nebst der Vermessung auch der Munitionsmessung, Laufkorrektur, Pulverbemessung etc. dient. Nach dem Tod Zublers 1609 führt ein Kreis mathematisch Interessierter die Entwicklung fort. Johann Haller liefert solide militärische Arbeiten und wird 1620, kurz vor seinem Tod, Stadtbauingenieur. Auf Johann Haller folgt Johann Ardüser. Zürich wird internationale Ausbildungsstätte in dieser neuen Fertigkeit. (siehe auch Matthäus Merian, Tycho Brahe und Hans Conrad Gyger*). Die beiden Teenager Hans Rudolf und Hans Georg Werdmüller (vom Seidenhof) geniessen Mathematikunterricht bei Stadtingenieur Johann Ardüser, der aus diesem Unterricht ein Geometrielehrbuch veröffentlicht und damit auch die damaligen Innovationen Zürichs zum Vermessungswesen festigt. Die Werdmüllers vertiefen danach ihre Fertigkeiten in Vermessungstechnik, Fortifikationswissenschaft und Planzeichnen in Genf und Lyon und kehren nach fünfeinhalb Jahren zurück nach Zürich, beladen mit Büchern und in Zürich unbekannten ballistischen und geodätischen Instrumenten. Hans Rudolf folgt danach einer glänzenden internationalen Militärlaufbahn und Hans Georg wird zur Autorität in der Fortifikationswissenschaft, führend auch beim Bau der Stadtzürcher Befestigung.
* Hans Conrad Gyger zeichnet als 20jähriger unter Haller eine erste grobe Kantonskarte und entwickelt diese Kunstfertigkeit in den folgenden Jahrzehnten immer weiter bis er 1667 die grandiose, grosse Landtafel im Massstab 1:32000 malt (ein Ausschnitt auf Seite 8). Sie gilt als Meisterwerk der plastischen Geländedarstellung. Gyger war der erste, welcher eine Landschaft auf diese Art darstellte. Es war damals und noch lange danach üblich, Hügel und Berge auf Karten in Kavalierperspektive (Schräge Seitenansicht, aber passend zum Grundriss) darzustellen. Weil seine Karten militärischer Geheimhaltung unterlagen, hatte seine Pionierleistung keinen unmittelbaren Einfluss auf andere Kartographen.

Pendelrichtquadrant mit Etui (Landesmuseum) 

Pendelrichtquadrant mit Etui, um 1700, Hersteller unbekannt, Messing, vergoldet und graviert. Das Richten des Geschützes lässt sich mit diesem Instrument durch Aufsetzen auf das Rohr oder Einführen in den Geschützlauf bewerkstelligen. In der neuen Dauerausstellung des Landesmuseums, Zürich.

Dioptervisier (Landesmuseum)

In der neuen Dauerausstellung des Landesmuseums, Zürich. Bussole mit kleinem Dioptervisier, 1690-1700, Louis Chapoto, Paris, Messing, graviert. Depositum Zürcher Artillerie-Kollegium. Dank verbesserten Kenntnissen der Ballistik entwickelt sich die Artillerie im 17. Jahrhundert zur wissenschaftlich begründeten Schiesslehre.

DiverseArtillerie I  (Landesmuseum)
Aus dem Waffenturm des Landesmuseums. Artilleristische Instrumente und Werkzeuge, 17./18. Jh.
Sonnenuhr mit Bussole: Winkelmessgerät mit Lineardiopter, Bussole und Fernrohren; 2 kleine Halb-Quadranten mit Pendel; Diopterlineal zur Berechnung von Distanzen.

DiverseArtillerie II  (Landesmuseum)
Aus dem Waffenturm des Landesmuseums. Ausbildung Artillerie.

Im 17. Und 18. Jahrhundert entwickelte sich dank erweiterten physikalischen und mathematischen Kenntnissen die moderne Artilleriewissenschaft. Seit 1686 überwachte in Zürich die „Feuerwerker-Gesellschaft“ (auch Artillerie-Kollegium genannt) die systematische Ausbildung des artilleristischen Nachwuchses. In eigenen Ausbildungsräumen und Labors im Zeughaus Leuenhof erlernten die jungen Zürcher den Umgang mit Geschützen, Schiesspulver, Geschossen und wissenschaftlichen Messinstrumenten. Das Berechnen von Flugbahnen gehörte ebenso zur Ausbildung als das Zeichnen eines Rohres oder die Herstellung einer Pulverladung. Mit der Herausgabe eines jährlichen Neujahrsblattes leistete die Gesellschaft der Feuerwerker auch einen Beitrag  zur Allgemeinbildung der wissbegierigen Zürcher Jugend.

Greifzirkel zum Ausmessen von Geschützkugeln: Transporteur (Winkelmesser); Stechzirkel.

Artilleriebesteck im Etui mit Nadeln, Beimesser, Stechzirkel, Senkblei, Bleistift und Kombinationsinstrument (Kalibermassstab und Geschützaufsatz zur Bestimmung des Neigungswinkels des Geschützrohres). Vergoldete Bronzegriffe von Hans Peter Oeri (1637-1692), Zürich um 1665/70-

Das Neujahrsblatt zeigt das Laboratorium und Kollegianten-Saal im Zeughaus zum Leuenhof, wo die Artilleristen ihre praktische und theoretische Ausbildung erhielten. Neujahrsblätter der „Constaffleren im Zeughause“, 1696/97

Nach Leo Weisz, in „Die Werdmüller“, aus der Biografie von Hans Conrad Werdmüller

Lange Zeit wurden die Distanzen zum Zielpunkt eines Kanonenschusses von den Büchsenmeistern grob geschätzt, dann wurde für Folgeschüsse versuchsweise nachgerichtet. Diese Verschwendung von Pulver und Kugeln konnte mit den neuen Vermessungstechniken behoben werden. Der Zürcher Erfinder der neusten Generation Feldmessgeräte, Philipp Eberhard wurde sogleich dem groben Geschütz zugeteilt, wobei bald klar wurde, dass diese neue Fertigkeit in der Breite ausgebildet werden musste.

Kärtchen unten rechts: Silberzirkel Proportina (?)  Transporteur, Halbkreisgerät mit Diopter auf silberner Platte, Geschützmodell

Zu  „Hans Conrad Gyger, Erfinder der Absichtsdünkel der Hochwachten“

Nach Leo Weisz, in „Die Werdmüller“, aus der Biografie von Hans Conrad Werdmüller

Der auf einer Weiterentwicklung der Zublerschen Vermessungsinstrumente beruhende, von H.C. Gyger entwickelte, neue Hochwachten-Absichtsdünkel (zur Lokalisierung korrespondierender Hochwachten) wird über Zürich hinaus in den evangelischen Orten empfohlen und angeschafft.

Die Hochwachten kommunizierten miteinander über sichtbare Feuer- oder Rauchzeichen. Damit die Wächter der Hochwachten sicher feststellen konnten, ob ein Feuer in Richtung der anderen Hochwachten ein gewöhnliches Feuer oder ein „Losungszeichen“ sei, wurde auf jeder Hochwacht ein auf dem Zublerschen Vermessungsinstrument beruhender, zu genauer Orientierung geeigneter „Absichtsdünchel“ (auch „Scheibe“ genannt) aufgestellt. Dieser bestand aus einer waagrecht auf einem in den Boden eingerammten Pfahl liegenden Platte, in welche (in der Richtung nach den korrespondierenden Hochwachten) Kerben eingeschnitten waren. Auf dieser Platte ruhte ein Quadrant, der nach den Kerben eingestellt werden konnte und mit einer Einteilung zur Visierung in vertikaler Richtung versehen war. An dieser Viertelskreisscheibe war ein in der Vertikalebene drehbares Rohr mit Visieröffnung und Korn (später mit Fadenkreuz), der „Absichtsdünchel“, befestigt, so dass die im Gesichtskreis liegenden Hochwachten genau anvisiert werden konnten. Bei genauer Einstellung des Instruments konnte jederzeit zuverlässig festgestellt werden, ob eine Rauch- oder Feuersäule von einer korrespondierenden Hochwacht herrühre, und als Alarmzeichen weiter gegeben werden müsse oder nicht. In der Konferenz der evangelischen Orte im Februar 1644 wurde diese Neuerung allgemein empfohlen und man beschloss, die Feuerzeichen auf dem Uetliberg, auf Lägern, Rietenberg, Lenzburg und Brunegg grösser zu machen, so dass „jedes Feuer ein halb Stund brennen könne“, und auf jeder Hochwacht ein Absehinstrument aufzustellen „gegen diejenigen Ort, die observiert werden sollen, dass man nachts eine Gewüssheit haben möge“.
Bei den meisten Hochwachten wurden jetzt auch besondere Wachthäuschen aufgestellt, um das Zubehör für Zeiten ohne Alarmbereitschaft zu schützen. Insbesondere das Visierinstrument wurde darin sorgfältig aufbewahrt.

Siehe auch: http://www.villmergerkriege.ch/Hochwachten/
Über das Basler Hochwachtennetz, in Stand gestellt 1792, ab Seite 74:
https://www.swisstopo.admin.ch/content/swisstopo-internet/en/topics/histcoll/landscape-memory/timeseries/_jcr_content/contentPar/tabs/items/dokumente/tabPar/downloadlist/downloadItems/1088_1464780134492.download/geschichteverorten.pdf

Die Distanz von einem Ort zum andern geometrisch zufinden

Johann Balthasar Bullinger, Maler, Kupferstecher, 1713-1793 Gesellschaft der Constaffleren und Feuerwerker (Zürich) 1765

Quelle: Neujahrsblätter in nebis.ch

ZB Zürich / Die Distanz von einem... [1 (e-rara.ch) = https://www.e-rara.ch/zuz/content/zoom/17729977